Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
seinem Garten lebte. Ich hatte definitiv beschlossen gehabt, dass wir nicht allein sein durften. Ich wusste, was passieren würde, wenn er mir zu nahe käme. Ich hatte bei ihm keine Selbstkontrolle mehr. Das hatte ich bereits bewiesen.
Aber er hatte großen Kummer. Ich konnte nicht einfach nach oben laufen und ins Bett gehen. Selbst wenn er die Musik runterdrehen würde.
Ich bewegte mich zögerlich auf ihn zu. Toby wollte über mich, die Nummer eins sprechen. Ich wollte über Damien sprechen.
„Schlechte Nacht?“, murmelte ich.
Er zuckte die Achseln, dann machte er sich wieder ans Fegen, obwohl mir der Boden ziemlich sauber vorkam.
„Nicht wirklich. Ich habe geschafft, was ich mir vorgenommen hatte.“
Ich runzelte die Stirn. „Was? Mehr Bourbon als Roggenwhiskey zu verkaufen?“
„Nein, mehr Bier als Tequila.“
Ich konnte nicht erkennen, ob er das scherzhaft meinte.
„Warum bist du noch hier?“, fragte ich.
„Hab nichts Besseres zu tun.“
Damien und ich hatten mehr gemeinsam, als mir lieb war.
Er sah auf. „Wo bist du vorhin in solcher Eile hingefahren?“
Ich war praktisch geflüchtet von hier nach Jessies Anruf, der auf meinen schrecklichen Albtraum gefolgt war. Die bloße Erinnerung daran ließ mir feuchtkalten Angstschweiß ausbrechen.
„Ich musste mich mit dem Sheriff treffen.“
Die Wahrheit. Wow. Ich konnte sie sagen.
Die Musik änderte sich. Toby war fertig, und eine süße, melodiöse Ballade begann. Trisha Yearwood sinnierte darüber, wie sie ohne ihn leben könnte. Wie sollte sie überleben?
Früher hatte ich auch dieses Lied gemocht. Bis es zu persönlich wurde.
Plötzlich stand Damien direkt vor mi r – ohne seinen Besen. Er war so nah, dass er in meinen persönlichen Bereich eindrang. Ich machte einen Schritt nach hinten und stolperte über meine Füße. Seine Hand schoss nach vorn; er presste den Arm gegen meine Wirbelsäule. Jetzt konnte ich gemeinsam mit Trisha nicht mehr atmen.
„Damie n – “
„Tanz mit mir“, wisperte er. „Nur ein einziges Mal.“
Ich hätte ablehnen können, hätte es tun sollen. Aber er roch so gu t – wie der Wind und die Bäume und der Sommer, mit einem Hauch von Tabak, der eigentlich unangenehm hätte sein müssen, stattdessen jedoch verführerisch war.
Seine Haut war warm, sein Atem strich sanft über meine Wange. Als er mich auf diese Weise berührte, erinnerte ich mich wieder an alles, was zwischen uns geschehen war. Es war Sex gewesen, keine Liebe, aber ich konnte so tun als ob, und im Moment brauchte ich das.
Ich schmiegte mich an ihn, und wir begannen, uns mit der Musik zu bewegen. Er war ein guter Tänze r – ungewöhnlich für einen Mann seines Alters.
Mein Großvater hatte mir den Walzer, die Polka und den Foxtrott beigebracht. Heutzutage verstand es niemand mehr, wie ein zivilisiertes menschliches Wesen zu tanzen. Außer Damien. Jemand hatte ihn unterrichtet, so wie mein Großvater mich unterrichtet hatte.
Die Musik schwoll an, sie schien mich gleichzeitig zu umgeben und zu erfüllen. Meine Füße bewegten sich im perfekten Rhythmus zu seinen. Als ich meinen Kopf an seine Brust legte, drückte er die Wange gegen mein Haar.
Ich hatte zuvor nicht realisiert, wie einsam ich war. Mein Leben war erfüllt. Von Tod, sicher, aber das war die Art, wie ich es haben wollte. Ich hatte nicht die Zeit, all das zu vermissen, was ich verloren hatte. Nicht oft zumindest. Wann immer ich es doch tat, zog ich in eine andere Stadt, erschoss ein weiteres Dutzend Werwölfe und weigerte mich, dem schluchzenden kleinen Mädchen in mir zuzuhören, das seine Mama vermisste. Ich war eine große, gefährliche Werwolfjägerin; ich weinte nicht. Warum verspürte ich dann jetzt das Bedürfnis?
Weil ich hier, in Crow Valley, einen Blick auf das erhascht hatte, was mir fehlte. Nicht nur Freundschaft, sondern auch Kameradschaft, Liebe, Sex und alles andere, was das Leben lebenswert macht e – neben dem Töten. Und ausgerechnet ich nannte Hector psychotisch.
Ich wurde zurück in eine andere Welt gelockt, von der ich nicht wusste, ob ich in ihr leben könnte. Jessie und Will so verliebt zu sehen, Damien so nah zu spüren, so sexy un d … erregt.
Ich spannte mich an, aber er schloss die Arme fester um mich und ließ mich nicht gehen.
„Bitte“, flüsterte er. „Verlass mich noch nicht.“
Ein wohlig-warmes Gefühl breitete sich direkt unter meinem Herzen aus. Ich wollte nicht weggehen. Jetzt noch nicht.
Es war Tag. Die Werwölfe waren wieder
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