Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
überhaupt nicht eilig zu haben.
Als Jessie gesagt hatte, sie würde wie Kaugummi an mir kleben, hatte ich nicht erwartet, dass sie damit meinte, während ich schlief.
„Wollt ihr zwei gar nicht mehr heimfahren?“
„Wozu?“, fragte Jessie. „Mir gefällt es hier.“
Sie setzte sich auf einen Stuhl und legte die Füße auf den Kaffeetisch. Wenn sie ein Hemd angehabt hätte, hätte sie entspannt gewirkt. Der BH und die Khakihose vermittelten einfach kein Bild von Gemütlichkeit.
„Du musst dich umziehen.“
„Magst du meinen Look nicht?“
„Verzieh dich.“
„Ich denke, das werde ich nicht tun.“
Meine Augen wurden schmal. „Hör zu, McQuad e – mir ging es blendend, bevor ich dir begegnet bin.“
„Da hast du es auch nur mit durchschnittlichen Werwölfen aufnehmen müssen.“
„Du kannst nicht bei mir einziehen.“
„Nein?“
„Und ich brauche auch keinen Babysitter.“
„Jetzt komm schon, Jess“, murmelte Will. „Du könntest wirklich eine Dusche, frische Klamotten und etwas Schlaf vertragen.“
„Siehst du? Ihr beide braucht ein Nickerchen. Und ich auch.“
„Ich kann mir schon vorstellen, mit wem du schlafen gehst.“
Daran hatte ich noch nicht mal gedacht. Ich hatte wirklich einfach schlafen wollen, aber vielleicht sollte ich erst müde werden.
„Hau ab.“ Ich warf ihr das blutige Hemd in den Schoß.
Sie verzog störrisch den Mund, deshalb beeilte ich mich, ihr zu versichern: „Ich werde brav sein. Versprochen. Keine Spaziergänge im Wald. Ich werde mit gezogener Pistole direkt von meinem Apartment zum Auto gehen.“
„Wir holen dich ab. Es liegt auf dem Weg.“
Ich beschloss, es dabei zu belassen.
Jessie stand auf. Ihr Hemd war wirklich ekelhaft.
„Ich würde dir eins von meinen leihen, aber ich fürchte, du würdest die Nähte sprengen.“
Sie legte den Kopf zur Seite. „Sollte das nett gemeint sein? Weil es das nämlich nicht war.“
„Hier.“ Cadotte zog sich sein T-Shirt über den Kopf und warf es ihr zu. „Zieh meins an.“
Ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren. All diese glatten, definierten, gebräunten Muskeln hätten mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen müssen. Stattdessen dachte ich bloß an die Brust eines anderen Manne s – eine, die genauso glatt und definiert, dabei aber hell wie Marmor war.
Jessie sah mich an und seufzte. „Du solltest dich lieber bedecken, Cadotte. Sonst verursachst du unterwegs noch einen Unfall.“
„Nicht eher als du in einem Uniformhemd, das aussieht wie etwas aus Die Nacht der lebenden Toten . Zieh das Ding an und dann los.“
Will stapfte zur Tür hinaus. Mit einem Achselzucken schlüpfte sie in sein T-Shirt. Sie strich mit den Handflächen die Vorderseite glatt, dann rieb sie die Wange gegen den Halsausschnitt und atmete tief ein. Ihr Gesicht wurde verträumt; dann bemerkte sie, dass ich sie beobachtete, und sie versteifte sich. Ich lächelte. Die beiden gaben wirklich ein süßes Paar ab.
„Wir sind in ein paar Stunden zurück. Sei hier. Und versuch, in einem Stück zu sein, okay?“
„Ich tu mein Bestes.“
Ich wartete, bis ich den Motor starten hörte; dann lauschte ich dem Knirschen von Kies, das immer leiser wurde, bis es ganz aufhörte. Einen Moment später war ich aus der Tür raus, die Pistole wie versprochen in der Hand. Ich lief nach unten und über den breiten Hof, der die Bar von Damiens Hütte trennte.
Die Luft war warm, der Himmel sonni g – die Art von trägem Tag, den man als Altweibersommer bezeichnet. Warum, weiß ich nicht.
Ich klopfte. Niemand antwortete. Verdammt. So viel zu meinem Nachmittagsvergnügen.
Ein Blick zur Bar zeigte mir das Schild mit der Aufschrift GESCHLOSSEN im Fenster. Vielleicht schlief Damien immer noch. Würde er sauer sein, wenn ich einfach reinging?
Er war ein Mann. Es wäre ihm egal, wenn ich die Hütte abfackelte, solange ich nur hinterher mit ihm ins Bett stieg.
Ich testete die Tür. Offen. Wie praktisch.
Beim Eintreten rief ich seinen Namen. Ich bekam keine Antwort.
Der Raum war dunkel. Das Bett zerwühlt. Ich konnte nicht erkennen, ob er darin lag.
Ich ging das kurze Stück hinüber und legte die Hand auf den Klumpen in der Mitte. Nichts als Kissen.
Langsam drehte ich mich einmal um die eigene Achse. Ich sah ihn nirgends in dem kombinierten Wohn-, Ess- und Schlafzimmer. Die Tür zum Bad stand offen. Ich warf einen schnellen Blick hinein. Leer.
Ich hatte gerade beschlossen, mich wieder davonzuschleichen, als auf der Veranda donnernde
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