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Wolfsgesicht

Titel: Wolfsgesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Fischer
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irgendwo verloren haben. Eingesteckt hatte er es, daran konnte er sich erinnern. Peter wurde nervös. Wie lange Rodder wegbleiben würde, wusste er nicht. Zeit zu verlieren gab es jedenfalls keine. Und seine Dietrichsammlung musste er auf alle Fälle wiederbekommen. Wahrscheinlich hatte er es an der Stelle verloren, wo er den Vogel aufgeschreckt hatte. Doch würde er den Busch wiederfinden?
    Gereizt machte sich Peter auf den Rückzug. Immer wieder drehte er sich zu Rodders Haus um und glich das Bild perspektivisch mit demjenigen ab, das er von der besagten Stelle aus in Erinnerung hatte. Über fünf Minuten waren vergangen, bis er endlich einigermaßen sicher war. Hier musste es gewesen sein.
    Der Zweite Detektiv kniete sich auf den Boden und suchte mit den Händen das Gras ab. Die Taschenlampe ließ er ausgeschaltet.
    Zunächst griff er nur Steine und Hölzer, dann eine leere Dose. Doch nach zwei weiteren Minuten wurde er fündig. Mit einem leisen Pfiff zog Peter das ziemlich nass gewordene Etui unter einem Busch hervor.
    Sichtlich beruhigt stand er auf und blickte sich um. Still und dunkel lag das Haus da. Der Regen hatte nachgelassen, doch die nächste Wolke zog bereits am Himmel auf. Peter überlegte kurz, ob er die Aktion abblasen sollte, immerhin hatte ihn die Suche einige Zeit gekostet. Doch die Chance war nach wie vor günstig. Und dass er sein Etui wiedergefunden hatte, deutete er als ein gutes Zeichen. Er steckte es ein und verschloss die Tasche. Dann lief er erneut auf das Haus zu.
    Als Peter wenige Momente später die Klinke der Haustür drückte, erschrak er: Die Tür gab nach! Rodder hatte gar nicht abgeschlossen! Vermutlich war das hier in der Gegend nicht notwendig, dachte er und schob die Tür ein Stück weiter auf. Dann schlüpfte er in das dunkle baufällige Haus.
    Innen roch es muffig. Bevor Rodder eingezogen war, musste das Haus längere Zeit leer gestanden haben. Peter zog seine Taschenlampe hervor und schaltete sie ein. Er befand sich in einer Art Flur, von dem aus eine Treppe nach oben führte. Ein alter verwahrloster Kleiderständer war das einzige Schmuckstück des Eingangsraums.
    Peter öffnete eine Tür und gelangte in einen Wohnraum. Im Vergleich zum Flur war dieses Zimmer geradezu üppig möbliert: Alte Sessel, Couchtisch, Wandschrank, aber auch einen kleinen Schreibtisch erfasste der Lichtkegel seiner Taschenlampe. Hier schien sich Rodder vorwiegend aufzuhalten, auch wenn es nicht gerade gemütlich eingerichtet war. Alles war lieblos zusammengestellt, Kleidungsstücke waren achtlos auf die Couch geworfen worden und einzelne Teile der Los Angeles Post bedeckten den Boden. Peter sah sich die Zeitungsüberschriften näher an. Direkt unter einem großen Artikel zum Besuch des Präsidenten entdeckte er die kleine Meldung über den in Los Angeles verschwundenen Jungen. Aber das musste nichts heißen, zu Hause bei seinen Eltern gab es die Zeitung schließlich auch.
    Mitten auf dem Wohnzimmertisch stand eine offene Dose Bier. Peter hob sie hoch, sie war noch nicht ausgetrunken. Rodder musste sehr plötzlich aufgebrochen sein. Hoffentlich kam er nicht ebenso plötzlich zurück, denn der Schreibtisch lud zu Nachforschungen ein, wie Peter erfreut feststellte: Mehrere Briefe und Papiere lagen auf ihm herum, die es bestimmt lohnten, genauer angeschaut zu werden.
    Peter tastete sich vorwärts. Bei jedem Schritt knarrte der Holzboden, sodass er immer wieder innehielt, um zu lauschen, ob sich draußen etwas tat. Doch außer den Regentropfen, die jetzt wieder gegen die Scheibe trommelten, nahm er nichts Auffälliges wahr.
    Die fünf Minuten waren bereits drei- oder viermal vergangen. Peter durchsuchte hastig einen der Papierstapel. Ein Brief einer Zeitarbeitsfirma war darunter. Die Firma beschwerte sich, dass Rodder einen vermittelten Job nicht angetreten hatte. Peter zog die Stirn in Falten und suchte weiter, vertiefte sich in Zettel um Zettel. Eine Stromrechnung, eine Werbeanzeige der Reiterranch in Hilltown, aber kein Drohbrief, kein Umschlag mit einem ›Mr Cotta‹ oder ein ähnlich verräterisches Schriftstück. Dafür fiel Peter ein anderes Schreiben auf: Rodder hatte am Jachthafen von Rocky Beach ein teures Motorboot gemietet. Merkwürdig, was wollte er denn damit? Und woher hatte er das Geld?
    Peter wurde durch das leise Knarren der Holzdielen im Flur aufgeschreckt: Rodder war zurückgekommen! Hastig blickte er sich um. Das Zimmer hatte keinen weiteren Ausgang. Die Seekiste da drüben? Zu weit.

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