Wolfsgesicht
Regen hatte etwas nachgelassen. »Ich mache mich dann auf«, sagte er. »Wir sehen uns morgen. Und, Peter: Ich denke, wir sollten Justus fragen, bevor wir etwas unternehmen!«
»Jaja«, murmelte Peter.
In der Höhle des Wolfs
Peter parkte seinen MG oberhalb der alten Holzhäuser, die an der Steilküste gebaut waren. Wegen ihres Meerblicks galten sie früher als bevorzugte Wohnlage, doch dann hatte ein Filmproduzent die ganze Siedlung gekauft und sie im Laufe der Jahre verkommen lassen. Die meisten Leute wohnten hier zur Miete, und nur wer sich handwerklich helfen konnte, hatte sein Haus vor den unaufhörlichen Angriffen der Westwinde schützen können.
Im Schutz der Dämmerung bewegte sich Peter vorsichtig von Hauseinfahrt zu Hauseinfahrt. Eigentlich hatte er vermutet, dass er Rodder nur schwer finden würde. Aber so, wie er im Restaurant und in der Reithalle unter seinem richtigen Namen aufgetreten war, hatte er sich auch hier sichtbar ausgewiesen: ›Jeff Rodder‹ stand in frisch gepinselten Lettern auf einem Schild.
Dunkel zeichneten sich die Umrisse des Hauses gegen den Abendhimmel ab. Es stand knapp zweihundert Meter entfernt mitten in einem von Büschen und Gräsern verwilderten Garten. Insgeheim hatte Peter gehofft, dass Rodder nicht da sein würde, doch ein Fenster im Untergeschoss war beleuchtet. Peter blickte sich um. Die beiden Nachbarhäuser standen ein gutes Stück weiter weg.
Vom Meer her war wieder eine Regenwolke im Anmarsch. Der Zweite Detektiv zog die Clips an seiner Jacke fester. Dann lief er am Grundstück entlang, bis er eine geeignete Stelle fand. Mit einem Sprung gelangte er über den Holzzaun und duckte sich hinter einen kleinen Baum. Es war inzwischen fast Nacht geworden. Trotzdem wollte er nichts riskieren. Peter huschte von Busch zu Busch, von Deckung zu Deckung. Langsam kam er näher an das Haus heran. Seine Anspannung stieg. Was er eigentlich vorhatte, wusste er nicht genau. Aber er war überzeugt: Er würde etwas finden, mit dem er Justus und Bob überzeugen konnte, dass Rodder bis zum Hals in der Sache drinsteckte.
Als er vielleicht noch fünfzig Meter entfernt war und kurz innehielt, hörte er plötzlich ein Rascheln. Es kam direkt neben ihm aus dem Gebüsch. Peter blieb bewegungslos, bis das Rascheln erstarb. Er wartete noch einen Moment, zählte bis dreißig. Dann tastete er sich weiter. Ein Schrei durchschnitt das eintönige Brausen des Windes. Ein dunkler Schatten stieg auf, etwas flatterte über seinem Kopf. Peter riss zum Schutz die Arme hoch. Dann atmete er entspannt aus. Er hatte einen großen Seevogel aufgescheucht.
Er schloss die Augen, um sich wieder zu konzentrieren. Es war kein Film, in dem er agierte, er war im Hier und Jetzt. Und er hatte niemandem hinterlassen, wo er war. Peter riss sich zusammen und lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Haus. Der Mann drinnen schien den Zwischenfall nicht bemerkt zu haben. Für einen Moment dachte Peter allerdings, dass sich im dunklen Fenster des ersten Stockes ein noch schwärzerer Schatten abgehoben hatte.
Aber seine Wahrnehmung war jetzt wohl überempfindlich. Er wartete noch einen Moment und sah, dass sich in dem hell erleuchteten Raum unten jemand bewegte. Da die Vorhänge zugezogen waren, konnte Peter nichts Genaues erkennen. Kurz darauf ging das Licht aus. Ein paar Sekunden später wurde es in einem anderen Fenster kurz hell. Dann flackerte die Außenbeleuchtung auf. Peter duckte sich tiefer in den Busch. Er hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel. Das Außenlicht verlosch. Dann schlug eine Autotür zu. Der Motor wurde gestartet. Peter legte sich tief ins Gras, sodass der Lichtkegel des Fahrzeugs ihn nicht erfassen konnte, bis der Wagen weg war.
Langsam richtete sich Peter wieder auf. Plötzlich wusste er genau, was er tun wollte.
Vorsichtig schlich er zur Eingangstür des alten Holzhauses. Er konnte ein schlechtes Gewissen dabei nicht ganz verleugnen. Einen Beweis gegen Rodder hatte er ja nicht und es blieb ein unerlaubtes Eindringen. Doch seine Neugier war stärker. Er fühlte, er war auf einer heißen Spur. Fünf Minuten, dachte Peter, das müsste für die Aktion reichen. Sonst war das Risiko zu groß, dass Rodder zurückkam.
Er tastete sich an die Tür und horchte vorsichtshalber auf ein Geräusch. Ihm fiel nichts Verdächtiges auf. Seine Hände fuhren in die Innentasche der Jacke, um seine Dietrichsammlung herauszuholen. Doch seine Finger griffen ins Leere.
»Verdammt.« Peter fluchte leise. Er musste das Etui
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