Wolfsglut - Handeland, L: Wolfsglut
„Was wissen Sie über sie?“
Wenn ich mich auf Lydia konzentrierte, würde ich mich vielleicht nicht länger von Billy beobachtet fühlen. Ich bezweifelte das zwar, aber einen Versuch war es zumindest wert.
„Man hat ihre Großmutter aus dem Konzentrationslager geholt und zu Mengele gebracht.“
„Und ihr Großvater?“
„War ebenfalls in dem Labor im Schwarzwald.“
„Und dann?“
„Sie wurden zusammen mit der Werwolfarmee freigelassen.“
„Das ist alles?“
Er zuckte mit den Schultern. „Hexen sind schwer zu erkennen. Ihnen wachsen keine Schwänze. Sie trinken kein Blut. Sie erheben sich nicht von den Toten. Sie sind bloß Magierinnen.“
Bloß?
„Findet es eigentlich niemand außer mir seltsam, dass Schutzgeister normalerweise Hexen helfen, während bei uns ein Werwolf-Schutzgeist gleichzeitig eine Hexe ist?“, fragte Nic.
„Nicht alle Zigeuner sind Hexen“, erläuterte Edward. „Nur die reinen sind magische Wese n – oder Hexen, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks. Mengele benutzte ihr Blut, um seine Werwölfe zum Leben zu erwecken.“
„Magisches Zigeunerhexenblut, um Werwölfe zu erschaffen“, murmelte ich.
Ich erinnerte mich, etwas zu diesem Thema in meinen Unterlagen zu haben, aber da ich nicht geglaubt hatte, dass es mir bei meiner Suche nach einem Heilmittel würde helfen können, hatte ich die Information in meinen Hinterkopf verbannt.
„Wo haben Sie Lydia kennengelernt?“
„Ich war mit ihrer Großmutter befreundet.“ Etwas flackerte in Edwards Augen, und er sah weg. Wie gut hatte er die Frau tatsächlich gekannt?
Ich sann über meinen Verdacht nach. Es war ebenso unwahrscheinlich, dass Edward eine Affäre mit einem Werwolf-Schutzgeist gehabt hatte, wi e … was? Dass er einen Werwolf einstellen würde?
„Sie hielten es nicht für eine gute Idee, diese Leute im Auge zu behalten?“, warf ich ihm vor.
„Doch, natürlich. Aber da sie über Magie gebieten, fällt es ihnen nicht schwer, sich unserer Kontrolle zu entziehen.“
„Und der Name Lydia ließ bei Ihnen keine Alarmglocken schrillen?“
„Es ist ein ziemlich gebräuchlicher Name.“
„Wenn man in den Vierzigerjahren stecken geblieben ist.“
„Ich gebe zu, dass es ein Fehler von mir war, die Hexen nicht gründlicher zu beobachten.“ Edward legte die Fingerspitzen aneinander. „Aber lassen Sie uns jetzt über Ihren Fehler sprechen, Elise.“
„Meinen?“
„Billy ist nicht tot.“
Ach, der Fehler.
„Regen Sie sich ab“, befahl Nic.
„Wie bitte?“ Edward zog eine Braue hoch.
„Er ist nicht tot, aber er wird es sein, sobald ich ihn gefunden habe.“ Er tastete nach seiner Waffe, dann runzelte er die Stirn. „Und meine Pistole.“
Nic marschierte in die Richtung, in die er sie zuvor geschleudert hatte, dann machte er plötzlich kehrt und blickte mit gerunzelter Stirn zu uns zurück. „Ich bin verwirrt. Damit ein Hexenwolf entsteht, muss doch ein Toter von einem Werwolf in menschlicher Gestalt gebissen werden, nicht wahr?“
„So lautet unsere Theorie.“
„Und soweit wir das beurteilen können, stammen sämtliche Bisse von demselben Mund.“
Ich nickte, obwohl er das ebenso gut wusste wie ich.
„Ein Mund, von dem wir annehmen, dass er Billy gehört, da es in Fairhaven keine Werwölfe gib t – es sei denn, man zählt die Geisterwölfe dazu.“
„Sie kommen bald zum Punkt, oder?“, brummte Edward. Geduld war nicht gerade eine seiner Stärken.
„Die Bewohner sind schon vor unserer Ankunft verschwunden, und wir haben viel mehr als nur zwei Geisterwölfe, also frage ich mich, wie Billy jemanden gebissen haben kann, obwohl er in einem Kerker in Montana eingesperrt war.“
Dem Schweigen nach, das sich nun ausbreitete, hatte keiner eine eindeutige Antwort darauf, aber Edward konnte üblicherweise mit einer auf Sachkenntnis gestützten Vermutung aufwarten. Das war heute nicht anders.
„Vielleicht war es anfangs ein anderer Werwolf. Und als Billy dann herkam, hat er ihn umgebracht.“
„Das wäre typisch für ihn“, stimmte ich zu. „Aber Damien sagte, dass es hier bis zu meiner Ankunft keinen anderen Werwolf außer ihm gab.“
„Damien könnte sich geirrt haben.“
Das könnte er, aber ich bezweifelte es. Damien war schon seit knapp sechzig Jahren ein Werwolf; er wusste, wie er seinesgleichen erkannte.
„Lasst uns Billy finden, ihn fragen und ihn dann töten“, schlug Edward vor. „Oder ihn gleich töten.“
„Sie wissen, was ich bevorzuge.“
„Warum haben die
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