Wolfsglut - Handeland, L: Wolfsglut
Sie anders sind?“, fragte Damien.
„Mit zweiundzwanzig.“
SeineAugenweitetensich.„Bisdahinwarallesganznormal?“
Ich wusste nicht, wie normal ich gewesen wa r – eine Waise, die von dem Mann aufgezogen wurde, der ihre Mutter getötet hatt e – , aber ich nickte trotzdem.
„Was hat es ausgelöst?“
„Damals wusste ich es nicht.“
Als wäre die erste Verwandlung erst gestern gewesen und nicht schon vor sieben Jahren, wurde ich wieder von Angst erfasst, zusammen mit hämmernder Panik und grässlichen Schmerzen.
„Ich war auf dem College in Stanfor d … “
„Wie nett“, murmelte Jessie.
„Edward hat keine Kosten gescheut.“
Sie und Leigh runzelten unisono die Stirn. „Mandenauer hat Ihre Ausbildung bezahlt?“
„Edward hat alles bezahlt.“
Als Kind hatte ich nicht gewusst, warum Edward für mich sorgte, ich war nur froh gewesen, dass er es tat. Ich hatte niemanden sonst.
Nachdem ich die Wahrheit erfahren hatte, war ich überzeugt gewesen, dass er sich schuldig fühlte, mich zur Waise gemacht zu haben. In letzter Zeit war ich jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass seine Wohltätigkeit auf fachlichem Interesse basierte.
Er hatte sich gefragt, zu welchem Wesen ich wohl mutieren würde und wann. Der einzige Grund, warum er mich nicht umgebracht hatte, als ich mich verwandelte, war, dass ich anders war als die anderen und dieser Unterschied für ihn nützlich war.
„Ich hatte schon immer das Gefühl, dass da irgendetwas ist zwischen Ihnen und ihm.“ Jessies Blick glitt wieder über mich hinweg.
Eine Sekunde lang wusste ich nicht, was sie meinte. Als ich dann begriff, errötete ich und ballte die Fäuste. „Er hat nicht für mich bezahlt, falls es das ist, worauf Sie anspielen.“
„Wem der Name Flittchen pass t … “
„Sie Hohlbirne“, murmelte ich, was Leigh ein Kichern entlockte.
„Hört auf damit“, knurrte Will. „Lasst Elise doch zu Ende erzählen.“
Jessie und Leigh sahen nicht gerade zerknirscht aus, aber zumindest hielten sie nun die Klappe.
„Die erste Verwandlung durchlebte ich während des Wolfmonds.“
„Wann zur Hölle ist der denn?“
Ich hätte wissen müssen, dass Jessie nicht komplett verstummen würde.
„Im Januar“, erklärte Will mit einem mahnenden Blick zu ihr. „Wenn die Wölfe im Tiefschnee vor Hunger heulen.“
„Das trifft zwar nicht unbedingt auf Stanford zu“, warf ich ein, „aber es war tatsächlich im Januar. Wie Sie sicher alle wissen, herrscht in Vollmondnächten überall Hochbetrieb.“
Da konnte man jeden Notarzt, jede Schwester auf der Entbindungsstation, jeden Pfleger in einer psychiatrischen Klinik, jede Kellnerin in der erstbesten rund um die Uhr geöffneten Spelunke fragen.
In meinem letzten Semeste r – neue Klassenkameraden, neue Bücher, neue Herausforderunge n – war ich aufgeregt, ängstlich und verliebt gewesen.
„Warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt?“, hakte Damien nach. „Würden nicht eher die Veränderungen während der Pubertä t … andere Veränderungen auslösen?“
Daran hatte ich noch nie gedacht. Aber als ich mir das jetzt durch den Kopf gehen ließ, begriff ich, dass Edward das sehr wohl getan hatte.
Die Jahre zwischen meinem zwölften und vierzehnten Geburtstag waren die einzigen gewesen, die ich bei ihm verbracht hatte. Er hatte wie ein Besessener darauf bestanden, auf einer Burg in seinem Heimatland zu leben. Mitten im Niemandsland, praktisch auf dem Gipfel eines Berges. Während der Zeit dort hatte ich einen Hauslehrer gehabt. Einen riesigen, schwerfälligen Bären von einem Mann, der genauso furchteinflößend wie klug gewesen war.
Als ich drei Tage nach meinem vierzehnten Geburtstag nach Österreich geschickt worden war, hatte ich geglaubt, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Was ich in Wirklichkeit getan hatte, war, meine Periode zu bekommen, ohne dabei Reißzähne zu entwickeln. Gutes Mädchen . Komisch, wie manche Dinge nach Jahren plötzlich einen Sinn ergeben.
„Ich würde annehmen, dass Sie, wenn Sie schon pelzig werden mussten, es gleich getan hätten“, kam es von Jessie. „Haben Sie dafür eine Erklärung, Wunderdoktor?“
Ich war an ein gewisses Maß an Respekt gewöhnt, wenn schon nicht wegen meines Titels, dann zumindest für die Fortschritte, die ich bei der Lykanthropie-Forschung gemacht hatte. Aber natürlich gab Jessie einen Dreck auf das eine wie auf das andere.
„Ich habe eine Theorie.“
„Was wohl so ziemlich alles sein dürfte, was wir als Antwort
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