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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bodyguards kam herein. Er ignorierte Stefan, ging mit schnellen Schritten auf Robert zu und flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr. Robert nickte und schickte den Mann mit einer Handbewegung wieder weg.
    »Rebecca ist wach«, sagte er. »Sie hat nach dir gefragt. Willst du zu ihr, oder soll ich ihr sagen, daß du schläfst?«
    Seine Gönnerhaftigkeit machte Stefan allmählich rasend. Der einzige Grund, aus dem er nicht auf der Stelle aufstand und diesem Kerl die Zähne einschlug, war vielleicht, daß er trotz allem die gute Absicht hinter seinen Worten spürte.
    »Ich werde es versuchen«, antwortete er böse. »Sollte ich die Treppe nicht aus eigener Kraft scharfen, rufe ich dich.«
    Roberts Gesicht verhärtete sich, aber er antwortete nicht, sondern beließ es bei einem angedeuteten Schulterzucken. Stefan stand auf, verließ ohne ein weiteres
    Wort das Wohnzimmer und ging nach oben. Die Treppe war ihm niemals so lang vorgekommen wie heute, und nicht einmal
annähernd so
steil; kurz bevor er die erste Etage erreichte, war er tatsächlich nahe daran, aufzugeben oder einen der Bodyguards um Hilfe zu bitten. Vielleicht war das einzige, was ihn letztendlich davon abhielt, der Gedanke an das süffisante Grinsen, mit dem Robert dieses Eingeständnis von Schwäche kommentieren würde.
    Rebecca lag zusammengerollt auf dem übergroßen Bett und schlief. Eva lag in der Beuge ihres rechten Armes und schlief ebenfalls; sehr viel ruhiger übrigens. Ihr Atem ging langsam und sehr gleichmäßig, und auf ihrem Gesicht lag ein so friedlichentspannter Ausdruck, daß Stefan im ersten Moment ein zwar absurdes, aber heftiges Gefühl von Neid empfand. Vor weniger als drei Stunden hatten sie alle um ihr Leben gekämpft - nicht nur Rebecca und er, sondern auch dieses Kind. Er hatte sich die Wildheit und den Zorn in Evas Blick nicht nur eingebildet. Sie hatte ganz genau gewußt, worum es ging, drei Jahre alt hin oder her. Jetzt schlief sie, als wäre sie sich der Bedeutung des Wortes »Gefahr« nicht einmal bewußt.
    Ganz plötzlich überkam ihn ein Gefühl von Zärtlichkeit, gegen das er hilflos war. Nicht gegen, aber vollkommen
ohne
seinen Willen ließ er sich auf die Bettkante neben Rebecca und dem schlafenden Mädchen sinken, streckte die Hand aus und streichelte sanft Evas Wange.
    Er war sehr verwirrt. Was er vorhin bei seinem Beinahe-Streit mit Robert unten vor dem Haus gedacht hatte, das galt auch jetzt, vielleicht sogar in noch stärkerem Maße: Er war mit seinen Kräften einfach am Ende und so abgestumpft, daß er nur noch zu extremen Reaktionen imstande zu sein schien. All die feinen Abstufungen auf der Skala der Gefühle waren einfach nicht mehr da. Er hatte dieses Kind, das er noch vor ein paar Stunden am liebsten höchstpersönlich nach Bosnien zurückbefördert hätte, jetzt nicht nur akzeptiert: Er liebte es von ganzem Herzen.
    Er verstand das nicht. Daß seine Gefühle Amok liefen, bedeutete nicht, daß sein Verstand vollkommen ausgeschaltet worden wäre. Ganz im Gegenteil: Je länger er vergeblich nach einer Erklärung für diese totale Kehrtwendung suchte, die sich in seinem Inneren vollzogen hatte, desto verwirrter wurde er. Das Kind hatte möglicherweise seine Beschützerinstinkte geweckt. Vielleicht hatte er auch nur einfach begriffen, daß er automatisch auch Rebecca verlieren würde, wenn er Eva verlor - wahrscheinlich beides -, aber das allein war längst keine befriedigende
    Erklärung für das, was mit ihm vorging. Er war plötzlich nicht einmal mehr sicher, für wen er gerade so heldenmutig und verzweifelt gekämpft hatte. Rebecca hatte vollkommen recht: Er war bereit gewesen, sein Leben zu opfern, um die Männer ein paar Sekunden lang aufzuhalten. Aber hatte er es wirklich für Becci getan?
    Obwohl er nicht einmal in ihre Richtung sah, spürte er, daß Rebecca die Augen geöffnet hatte und ihn anblickte. Er sah auf.
    »Entschuldige«, sagte er. »Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Das hast du nicht«, behauptete Rebecca. »Ich habe nicht geschlafen.«
    Es hatte keinen Zweck, über diese Kleinigkeit zu streiten, deshalb antwortete er: »Das solltest du aber.«
    »Haben wir denn Zeit dafür?« Rebecca setzte sich mit fahrigen kleinen Bewegungen im Bett auf, die weit mehr über ihre Schwäche verrieten als die Blässe ihres Gesichtes, oder die dunklen Ringe, die unter ihren Augen lagen.
    »Natürlich haben wir das«, behauptete Stefan. »Keine Angst. Wir sind hier sicher. Robert hat eine halbe Armee

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