Wolfsherz
diese Bemerkung, und Rebecca kehrte wieder zu dem zurück, was er mit seiner Frage wirklich gemeint hatte. »Jemand hat uns verfolgt. Ich weiß nicht, wer. Ich dachte, es wäre Whites Mann oder vielleicht jemand vom Krankenhauspersonal.«
Er traute Whites Mann eine Menge zu, aber erstens hatte der tot oben in der Intensivstation gelegen, und zweitens glaubte er nicht, daß er seinen Gegnern die Kehle herausbiß.
»Sie haben mich in diesen Keller geschleift und hinter die Heizung geworfen«, schloß Rebecca. »Ich weiß nicht, was dann passiert ist. Das nächste, woran ich mich erinnere, bist du.«
Stefan kam zu einem Entschluß. »Und auch daran erinnerst du dich nicht«, sagte er. »Nichts von alledem ist passiert.«
»Wie bitte?«
»Ich verwette meine rechte Hand, daß die Polizei noch in dieser Nacht hier auftaucht«, antwortete er. »Wir bleiben dabei:
Ich bin dir in die Kinderklinik gefolgt. Wir haben Schüsse gehört und sind weggelaufen. Das ist alles.«
Davon abgesehen, daß der Heizungskeller von seinen Fingerabdrücken wimmelte; daß er vermutlich mehr als ein Dutzend anderer Spuren hinterlassen hatte, die seiner Geschichte schneller den Boden unter den Füßen wegziehen würden, als er sie zu Ende erzählen konnte; daß es so ganz nebenbei auf dem Krankenhausgelände eine Waffe mit seinen Fingerabdrücken gab, die unmittelbar neben den Leichen von zwei toten Söldnern lag; und daß ihn die Krankenschwester, die er alarmiert hatte, wiedererkennen würde... ja. Abgesehen von diesen paar unwesentlichen Kleinigkeiten konnten sie tatsächlich mit dieser Geschichte durchkommen. Immer vorausgesetzt natürlich, Dorn war taub, blind und ließ sein Gehirn zu Hause, wenn er zum Dienst ging. Trotzdem, die Polizei würde eine Weile brauchen, um all diese Puzzleteile zusammenzusetzen, und was sie im Moment am dringendsten brauchten, war Zeit.
»Damit kommen wir nicht durch«, sagte Rebecca.
»Das müssen wir auch nicht. Wir müssen deinem großen Bruder nur genug Zeit verschaffen, all seine überbezahlten Staranwälte zu mobilisieren und ein paar von seinen guten Beziehungen spielen zu lassen. Es sei denn, du hast große Lust, die nächsten Tage im Untersuchungsgefängnis zu verbringen. Obwohl wir dort vielleicht sicherer wären als hier.«
»Kaum«, sagte Roberts Stimme hinter ihm. Stefan fuhr erschrocken zusammen, drehte sich um und sah, daß nicht nur Robert, sondern auch einer der Bodyguards hereingekommen waren, ohne daß er es gemerkt hatte. Seine Schuld; er hatte offensichtlich vergessen, die Tür hinter sich zu schließen. Ein unverzeihlicher Fehler. Statt Robert und seines gemieteten Schlägers hätte auch jeder andere hereinkommen können.
»Und was meine Anwälte angeht«, fuhr Robert fort, »sie sind jeden Pfennig wert, den ich ihnen bezahle. Stefan hat ausnahmsweise einmal recht.« Er wandte sich an Rebecca. »Ihr bleibt dabei, nichts gesehen zu haben. Ich kenne diesen Inspektor zwar nicht, aber wenn er auch nur zehn Prozent seines Gehaltes wert ist, dann wird er Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um euch zu verhaften. Und ihr seid im Gefängnis nicht sicherer als hier, glaubt mir.«
»Es ist unhöflich, Leute zu belauschen«, sagte Stefan.
Robert machte ein abfälliges Geräusch. »Ihr seid keine ›Leute‹«, sagte er, »sondern meine Schwester und ihr unfähiger Mann. Und es ist auch unhöflich, Leute in den dritten Weltkrieg hineinzuziehen, ohne ihnen wenigstens zu erklären, worum es überhaupt geht.«
Stefan wollte antworten, aber Rebecca ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. Die zehn Minuten, die er ihn allein gelassen hatte, hatten mehr als ausgereicht, ihn seine Überraschung überwinden und zu seiner gewohnten, gönnerhaften Überheblichkeit zurückkehren zu lassen. Stefan wußte, daß es keine zehn Sekunden dauern würde, diese Selbstsicherheit in einen Scherbenhaufen zu verwandeln, wenn er erst einmal richtig loslegte. Aber er beherrschte sich. Er würde noch genug Gelegenheit bekommen, seine neugewonnene Stärke einzusetzen. Wahrscheinlich mehr und eher, als ihm lieb war.
»Ich habe meinen Hausarzt angerufen«, fuhr Robert fort. »Er ist in ein paar Minuten hier.«
»Ich brauche keinen Arzt«, sagte Rebecca.
»Das glaube ich dir, sobald Dr. Riemann es mir bestätigt hat«, antwortete Robert und drehte sich zu Stefan um. »Dorn hat angerufen. Er ist auf dem Weg hierher. Wenn ich du wäre, würde ich mich waschen und saubere Klamotten anziehen, bevor er auftaucht.«
Das
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