Wolfsherz
Die einzigen im Raum, deren Angst Stefan spürte, waren Robert und Dorn. »Ich habe ihn gebeten, Ihren Mann gehen zu lassen.«
»Wie?« keuchte Robert. »Sind Sie verrückt?«
White fuhr mit einer ärgerlichen Bewegung herum. »Nein -aber Sie anscheinend! Der Junge hat nichts damit zu tun! Verlangen Sie im Ernst, daß er sich für zwanzig Mark die Stunde erschießen läßt?!«
»Ich bleibe hier«, sagte der Bodyguard.
»Sie lassen Sie sowieso nicht gehen«, seufzte White. Er zuckte die Achseln.
»Aber einen Versuch war es wert. Also, was soll ich ihm sagen?«
»Er soll sich zum Teufel scheren!« sagte Robert.
»Ganz wie Sie meinen.« White nickte, drehte sich ohne Hast zu dem Russen herum und schoß ihm eine Kugel in den Kopf. Fast gelassen trat er zurück, warf die Tür zu und machte einen Schritt zur Seite.
Robert keuchte, und Dorn stieß einen Laut aus, der fast wie ein geflüsterter Schrei klang. »Sind Sie wahnsinnig?« keuchte er. »Jetzt -«
»- sind es nur noch fünf«, unterbrach ihn White ruhig. »Sie würden uns sowieso nicht am Leben lassen. Oder glauben Sie wirklich, daß sich diese Killer an ihr Wort gebunden fühlen?« Er lachte. Eine Sekunde später und wie um seine Behauptung zu beweisen, erschienen drei weitere, schwarz ausgefranste Löcher in der Haustür. Die Kugeln fuhren mit dumpfem Klatschen in die gegenüberliegende Wand, und ein weiteres Geschoß zertrümmerte das schmale Fenster neben der Tür. Dann wurde das Feuer wieder eingestellt. Die Russen hatten nicht die Hoffnung, wirklich jemanden zu treffen. Die Salve war eine wütende Antwort auf den Mord an ihrem Kameraden, mehr nicht.
White trat ohne die mindeste Hast aus der Diele heraus, gab dem SecurityMann einen Wink, ihm zu folgen, und schloß die Tür. »Macht eins zu null für die Gastgeber«, sagte er fröhlich. »Aufschlag für das Team Barkow.«
Das riesige Panoramafenster implodierte und fiel in einem Scherbenregen in sich zusammen, und aus Roberts Bar ergoß sich ein zweiter Wasserfall aus zerschmetterten Gläsern, Flaschen und spritzendem Alkohol. Roberts Behauptung, was das schußsichere Glas in seinen Scheiben anging, hatte wohl nicht ganz der Wahrheit entsprochen.
Robert begann hysterisch zu keuchen und rannte in Panik im Zimmer hin und her, bis Dorn ihn packte und unsanft in den toten Winkel unter dem Fenster stieß. White dirigierte den Security-Mann mit einer knappen Geste an das andere Fenster, drehte sich zu Stefan herum und warf ihm seine Waffe zu. Noch während Stefan sie auffing, griff er in die Manteltasche und zog eine zweite, großkalibrige Waffe hervor. Dann lief er geduckt an dem zerborstenen Fenster vorbei, preßte sich an die Wand daneben und sah vorsichtig hinaus.
Funken stoben aus dem Metallrahmen neben seinem Gesicht. White zog den Kopfzurück und fluchte.
»Sie verdammter Idiot!« schrie Dorn. »Warum haben Sie das getan!
Jetzt werden sie sofort angreifen! Wir hätten Zeit gewinnen können!«
»Fünf Minuten.« White lachte abfällig. »Es hätte nichts genutzt. «
»Wenn wir sie lange genug aufhalten, bis -«
»Blödsinn!« unterbrach ihn White. »Was erwarten Sie eigentlich? Ein stundenlanges Feuergefecht? So etwas geht ganz schnell, glauben Sie mir. In einer Minute ist der Spuk vorbei.«
Eine weitere Kugel schrammte am Fensterrahmen neben seinem Gesicht entlang und zertrümmerte eine Vase auf der anderen Seite des Zimmers. White zog eine Grimasse, aber seine Stimme klang fast anerkenned. »Sie schießen gut.«
»Wahrscheinlich haben sie Zielfernrohre«, stammelte Robert. »Wir... wir werden alle sterben!«
»Wie ich die Kerle kenne, haben sie Nachtsichtgeräte und Infrarot-Zieleinrichtungen auf ihren Gewehren«, antwortete White fröhlich. »Also schwitzen Sie ein bißchen weniger vor Angst, sonst bieten Sie ein verdammt gutes Ziel.« Er streckte blitzschnell den Kopf aus dem Fenster und gab einen ungezielten Schuß ab. Es klang, als hätte er eine Kanone hier drinnen abgefeuert.
»Stefan!« befahl White. »Nach oben! Aber sparen Sie Munition! Es sind nur noch acht Schuß im Magazin!«
Stefan fuhr herum und rannte die Treppe hinauf, während White seine Waffe ein zweites Mal abfeuerte. Unter ihm schrie Dorn irgend etwas, das er nicht mehr verstand, dann erreichte er Rebeccas Zimmer und stellte voller Entsetzen fest, daß sie vollkommen deckungslos am Fenster stand und heraussah, als betrachte sie einen Faschingsumzug, nicht den Aufmarsch einer kleinen Armee, die gekommen war, um sie zu
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