Wolfsherz
Fehler begriff, trat er ohne Hast zurück. Er erschrak nicht einmal. Irgend etwas sagte ihm, daß ihn die Männer dort draußen nicht töten wollten.
Noch nicht.
»Verdammte Scheiße!« sagte Dorn mit Nachdruck. »Was bilden sich diese Idioten da draußen ein, wo wir sind? In Kasachstan?« Er drehte sich mit einem Ruck zu Robert herum, der noch immer auf Händen und Knien dahockte und vor Schrecken wimmerte, und fuhr ihn an: »Verdammt noch mal, halten Sie endlich den Mund!«
Robert verstummte mit einem fast komisch klingenden Japsen und starrte abwechselnd ihn und Stefan an. Oben im ersten Stock fiel eine Tür ins Schloß, und Stefan hörte hastige Schritte, die die Treppe herunterpolterten.
»Bleib oben!« rief er. »Und geh vom Fenster weg!«
Rebeccas Schritte brachen ab und entfernten sich dann ebenso schnell wieder. Sie sagte kein Wort. Offenbar war Stefan nicht der einzige, der in einem Crashkurs gelernt hatte, mit lebensgefährlichen Situationen umzugehen. White zog überrascht die linke Augenbraue hoch, aber er sagte nichts dazu.
»Danke«, sagte Dorn. Er fuhr sich nervös mit der linken Hand über das Kinn. Seine Ruhe und Selbstbeherrschung war wie weggeblasen, und Stefan war nicht sicher, ob sie wieder zurückkehren würde. Vielleicht hatte er Dorn falsch eingeschätzt. Vielleicht hatte sich Dorn bisher selbst falsch eingeschätzt. »Verdammt, wo kommen die Kerle so plötzlich her?«
»Fragen Sie das im Ernst?« wollte White wissen. Dorn starrte ihn nur an, und White fuhr fast im Plauderton fort: »Sie haben sie hierhergeführt. Und das wissen Sie genau.«
»Unsinn«, fauchte Dorn.
»Sie waren ihre einzige Spur«, fuhr White gelassen fort. Stefan lauschte vergeblich auf irgendeinen Unterton von Vorwurf oder auch nur Häme in seiner Stimme. Er stellte einfach nur die Tatsachen fest. »Ich an Barkow Juniors Stelle hätte es jedenfalls so gemacht. Sie mußten nur Sie beobachten. Früher oder später mußten Sie sie hierherführen.«
»Und wer sagt, daß sie nicht
Ihnen
gefolgt sind?« fragte Dom.
»Dann hätten sie früher zugeschlagen«, erwiderte White ruhig. »Oder glauben Sie wirklich, sie hätten abgewartet, bis die halbe Frankfurter Polizei hier auftaucht, um die Sache spannender zu gestalten?«
»Hört auf!« sagte Stefan scharf.
White grinste ihn nur an, aber Dorn blickte eine Sekunde lang ausdruckslos in seine Richtung, dann nickte er. »Sie haben recht«, sagte er. »Wir müssen irgendwo Hilfe rufen. Gibt es noch mehr Telefone im Haus?«
»Ein Dutzend«, antwortete Robert, und White fügte hinzu:
»...die garantiert alle tot sind!« Er schüttelte heftig den Kopf. »Vergessen Sie's. Die Kerle haben sogar daran gedacht, die Frequenz meines Handys zu stören. Glauben Sie wirklich, sie haben nicht jede Leitung gekappt, die aus diesem Haus herausführt? Wir müssen schon sehen, wie wir allein klarkommen.«
Stefan wandte sich an Robert. Sein Schwager war mittlerweile wenigstens aufgestanden, aber er wirkte immer noch wie das sprichwörtliche Häufchen Elend. Stefan hatte sich seit zehn Jahren nichts sehnlicher gewünscht, als seinen Schwager am Boden zu sehen, aber jetzt empfand er nichts. Nicht einmal Verachtung. »Was ist mit deinem Handy?« fragte er. »Du sammelst die Dinger doch, oder?«
»Eins war im BMW«, antwortete Robert. »Das andere ist in meinem Aktenkoffer. Draußen im Wagen.« Er hob in einer hilf' losen Geste die Hände. »Ich wußte ja nicht...«
»Jetzt geratet nicht in Panik«, sagte White. »Noch sind sie nicht hier drinnen. Und in einem Punkt gebe ich Ihnen recht, Herr Dorn: Wir sind hier nicht in Kasachstan. Sie werden es nicht wagen, schwere Waffen einzusetzen oder das Haus mit großem Hurra zu stürmen. Das würde zuviel Aufsehen erregen.« Er sah auf die Uhr. »Was glauben Sie? Wann werden Ihre Kollegen im Präsidium merken, daß irgend etwas nicht stimmt?«
»Keine Ahnung«, antwortete Dorn. »Nicht vor einer Stunde. Und vielleicht nicht einmal dann.«
»Wunderbar!« sagte Robert schrill. »Das heißt, wir sind so gut wie tot! Wir können nur hier herumstehen und darauf warten, daß sie die Tür aufbrechen und uns die Kehlen durch-schneiden!« Er fuhr mit einer plötzlichen Bewegung herum. Seine Stimme wurde noch schriller, als er sich an den Security-Mann wandte; noch eine Nuance davon entfernt, wirklich zu schreien. »Wieso, zum Teufel, stehen Sie da so herum? Tun Sie etwas für Ihr Geld, verdammt!«
»Und was?« fragte White ruhig. »Soll er hinausgehen
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