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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und sich erschießen lassen?« Er brachte Roberts Protest schon im Ansatz zum Schweigen und wandte sich seinerseits an den Leibwächter. »Haben Sie Erfahrungen in solchen Situationen?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Nur theoretisch. Aber wir müssen uns alle dreißig Minuten in der Zentrale melden. Wenn der Kontrollruf ausbleibt, schicken sie einen Wagen.« Er sah auf die Uhr. »In ungefähr zwanzig Minuten, schätze ich.«
    »So viel Zeit werden sie uns nicht lassen«, sagte White.
    Stefan hatte mittlerweile beinahe Schwierigkeiten, dem Gespräch noch zu folgen. Das Benehmen Whites und der anderen kam ihm fast absurd vor - sie standen da und unterhielten sich, als hätten sie gerade die vorletzte Folge einer Soap-Opera gesehen und diskutierten das mögliche Ende, während ein paar Meter entfernt ein halbes Dutzend Berufskiller in genau diesem Moment ihr
wirkliches
Ende vorbereiteten!
    Aber auch seine eigene Reaktion verwirrte ihn immer mehr. Er lauschte in sich hinein und spürte... nichts. Er hatte nicht die Spur von Angst. Tief in sich, vielleicht auf einer Ebene noch weit jenseits seines Unterbewußtseins,
war
etwas; etwas Düsteres, Altes und unvorstellbar
Fremdes.
Er gestattete ihm nicht, zu erwachen. Er hatte nichts mit dieser Situation zu tun. Die Bedrohung durch Barkows Männer war real und tödlich ernst, aber vielleicht hatte er sich von der Welt des Realen und Greifbaren einfach schon zu weit entfernt, um sich noch durch irgend etwas daraus wirklich beeindrucken zu lassen. Je mehr Robert und Dorn in Panik gerieten, desto ruhiger schien er selbst zu werden. Die Gefahr dort draußen interessierte ihn nicht. Nicht wirklich. »Ich sehe nach Rebecca und der Kleinen«, sagte er. »Ich bin gleich zurück.«
    »Schon gut«, sagte White lächelnd. »Wir warten auf Sie.«
    Dorn runzelte die Stirn, und Stefan zog es vor, seine Reaktion auf Whites Worte nicht abzuwarten, sondern sich umzudrehen und die Treppe hinaufzueilen.
    Rebecca hatte seinen Rat natürlich nicht befolgt, sondern stand am Fenster und sah auf die Zufahrt hinaus. Sie drehte sich nicht einmal zu ihm um, als er hereinkam. Wahrscheinlich hatte sie schon gewußt, wer vor der Tür stand, bevor er sie geöffnet hatte.
    »Siehst du sie?« fragte er.
    »Dort drüben, im Wagen.« Rebecca deutete über die Straße, als er neben sie trat. Der Wagen parkte genau gegenüber des Tores, gerade ein Stück außerhalb des
    Lichtscheines, der von Roberts Grundstück herunterfiel. Selbst für seine schärfer gewordenen Augen waren die Gestalten darin nur als Schatten zu erkennen. Er zählte zwei, war aber nicht ganz sicher, ob sich noch mehr auf der hinteren Sitzbank befanden.
    »Dort ist noch einer.« Rebecca wies auf die Schatten neben dem Tor. Als Stefans Blick ihrer Geste folgte, erkannte er im ersten Moment nichts; dann, als hätte es ihrer Geste bedurft, um seine Sinneswahrnehmungen noch einmal zu steigern, identifizierte er einen Umriß, der hinter den Büschen kauerte.
    »Sie sind auf der Jagd«, murmelte Rebecca. Sie benutzte dieses Wort ganz automatisch, und Stefan fühlte es auch. Der Wagen, aber auch die Gestalt neben dem Tor, strahlten Gewalt aus wie eine summende elektrische Ladung. Sie hatten sie - sah man von Westmann ab - vielleicht noch nicht ausgeübt, aber sie waren bereit dazu. Sie gierten geradezu danach.
    Während er dastand und in die Dunkelheit hinausblickte, machte er eine vollkommen neue Erfahrung. Auch vorhin, draußen, als er den Wölfen gegenübergestanden hatte, hatte er die Gewalt gespürt, aber es war eine Kraft von vollkommen anderer Qualität gewesen: Der kompromißlose Wille, zu überleben, immer und unter allen Umständen, und ganz egal, welche Opfer es kosten würde, aber trotzdem
defensiv.
Was er bei den Russen spürte - so deutlich wie ein übler Geruch, den sie verströmten -, das war etwas vollkommen anderes. Es war...
böse.
Die gleiche, rücksichtslose Entschlossenheit, aber zu einen vollkommen anderen Zweck benutzt.
Mißbraucht.
    »Du weißt, daß Sonja recht hat«, sagte er nach einer Weile. Wie vorhin formulierte er die Worte im Grunde nur, ohne sie wirklich auszusprechen, und wie vorhin verstand Rebecca sie trotzdem. Stefan fragte sich, ob sie sich später vielleicht wirklich telepathisch verständigen würde. Später? Wenn was geschehen war?
    Sie antwortete nicht, aber das allein war schon Antwort genug. Stefan warf noch einen letzten Blick zu den Schatten neben dem Tor und den Wagen auf der anderen Straßenseite

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