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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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endgültig liegenzubleiben. Das Kochen und Brodeln des Protofleisches hörte auf.
    »Sie verdammter Idiot!« brüllte Stefan. »Was haben Sie getan?! Wir hätten ihn lebend gebraucht!« Für eine endlose, schreckliche Sekunde war er nahe daran, sich auf White zu stürzen. Er wollte nichts mehr, als ihn zu packen, seinen zerbrechlichen Körper in Stücke zu reißen und die Zähne in seine Kehle zu graben, um sein warmes, rotes Blut zu trinken, und...
    Er drängte die furchtbare Gier mit aller Gewalt zurück. Die Anstrengung überstieg fast seine Kräfte, aber irgendwie schaffte er es, das Ding in sich noch einmal zu besänftigen. Vielleicht zum letzten Mal. Schwer atmend drehte er sich zu Barkow um und fragte: »Hat er Sie verletzt?«
    Der Russe reagierte erst nach mehreren Sekunden und auch dann nur mit einem Nicken, das Stefan mehr erriet, als er es wirklich sah.
    »Gut«, sagte er, was die Tiefe seiner Erleichterung nicht einmal annähernd zum Ausdruck brachte. Alles wäre verloren gewesen, wäre Barkow gebissen worden. Sein Plan, der ihm noch vor wenigen Augenblicken so genial und ausgeklügelt erschienen war, hatte in Wahrheit mehr Löcher als ein Fischernetz Maschen. Sein Gelingen hing von zu vielen Unwägbarkeiten ab, und der Zufall spielte eine allzu große Rolle darin. Er war im Grunde bereits gescheitert. White hatte alles zunichte gemacht. Aber wahrscheinlich, dachte Stefan, hätte er an seiner Stelle genauso gehandelt. Es gab eine Grenze dessen, was ein Mensch stillschweigend erdulden konnte, und White hatte diese Grenze ganz eindeutig erreicht.
    Barkow starrte noch immer auf den toten Wolf hinab. Obwohl nur wenige Augenblicke vergangen waren, bevor White der Sache ein Ende bereitet hatte, war die furchtbare Verletzung zu einem Gutteil schon wieder verschwunden. Barkow stammelte zwei Sätze auf russisch; Stefan verstand sie nicht, aber es waren immer und immer wieder die gleichen Worte.
    Dann hob er mit einem Ruck den Kopf, starrte Stefan an und wiederholte auf deutsch: »Das ist vollkommen unmöglich! Das ist das Werk des Teufels!«
    Wenn es nur das wäre,
dachte Stefan,
dann hätte ich ein
kleineres
Problem.
Laut sagte er: »Nein, Barkow. Das ist genau das, was ich Ihnen zu erklären versuche«, sagte er. »Ich weiß nicht, was das für Kreaturen sind. Niemand weiß es. Nennen Sie sie Werwölfe, wenn Sie wollen, oder auch Dämonen. Ein Wort ist so gut wie das andere. Sie leben in diesem Tal in Bosnien, und sie können jede beliebige Gestalt annehmen.«
    »Unmöglich«, stammelte Barkow. »Das ist unmöglich. Sie lügen.«
    Stefan sah kurz zu White hin. Der Amerikaner starrte ihn aus aufgerissenen Augen an. Vielleicht begriff er allmählich, was Stefan vorhatte.
    »Aber es ist wahr«, fuhr er unbeeindruckt fort. »White, meine Frau und ich waren da, aber wir wollten wirklich nichts anderes, als Ihren Vater zu interviewen. Wir waren unten im Tal, während sie Ihren Vater getötet haben. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht fühlten sie sich durch Ihre Anwesenheit bedroht. Sie glauben, uns gesehen zu haben, aber in Wirklichkeit war es«, er deutete auf den toten Wolf, »das da.«
    Barkow starrte den reglosen Kadaver an. Stefan konnte regelrecht sehen, wie verzweifelt er nach einer Antwort suchte, nach irgendeiner nur halbwegs rationalen Erklärung für das Unerklärliche. Er sah es mit eigenen Augen, aber er weigerte sich einfach, es zu glauben.
    Was Stefan nicht gelungen war, tat Sonja selbst.
    Es geschah vollkommen warnungslos:
    Hinter dem Russen erschien ein Schatten, so jäh und warnungslos, als wäre er direkt im Türrahmen
materialisiert,
statt auf irgendeinem anderen Wege zu erscheinen. Selbst Stefans Supersinne hatten ihn nicht gewarnt. Sonja war einfach
da,
von einem Sekundenbruchteil zum anderen. Und sie handelte so präzise und erbarmungslos wie eine Maschine.
    Barkow sah wohl den Schrecken auf seinem Gesicht und reagierte so schnell, wie Stefan es von ihm gewohnt war - nicht schnell genug, um Sonjas Angriff vollkommen zu entgehen, aber immerhin rechtzeitig, um ihn zu überleben. Er wirbelte herum und riß sein Messer in die Höhe. Die Klinge riß Sonjas Unterarm von der Handwurzel bis zum Ellbogen auf und flog dann im hohen Bogen davon, und im gleichen Moment traf Sonjas Faust seine Schulter. Stefan konnte
hören,
wie Barkows Schlüsselbein brach. Der Russe stieß einen grunzenden Schmerzlaut aus und taumelte zurück, und Sonja schleuderte ihn mit einem Schlag der flachen Hand vollends zu

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