Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
nun doch den Kopf, aber nicht, um sich auf Wissler zu konzentrieren, sondern um Rebecca anzusehen. Sie saß neben ihm, hatte den Kopf an seine Schulter gelegt und schien zu schlafen. Der Anblick erfüllte Stefan mit einem absurden Neid. Er selbst wagte es nicht, seiner Müdigkeit nachzugeben und zu schlafen; nicht, nachdem sie den Toten gefunden hatten. Er hatte Angst, aufzuwachen und festzustellen, daß das alles hier
kein
Alptraum war. Ohne Wissler anzusehen, antwortete er: »Warum? Hängt es von unseren Antworten ab, ob Sie uns mitnehmen?«
    Er sah Wissler immer noch nicht an, aber er spürte trotzdem, daß seine Worte Wissler verletzten. »Was ist los mit Ihnen?« fragte er scharf. »Haben Sie Angst, zuzugeben, daß ich recht haben könnte?«
    »
Recht?!«
    »Mit dem, was ich über Barkow gesagt habe.«
    Stefan lachte. »Sie sind ja verrückt«, antwortete er. »Und außerdem will ich nicht darüber reden.«
    »Früher oder später werden wir es müssen.«
    »Kaum«, antwortete Stefan feindselig. »Hören Sie auf, um mein Verständnis zu betteln. Wenn Sie darauf warten, daß ich Ihnen die Absolution erteile, brauchen Sie sehr viel Geduld.«
    Wissler sog hörbar die Luft ein. Aber als er weitersprach, klang seine Stimme beherrscht, fast beiläufig. »Sie werden natürlich versuchen, alles, was Sie hier gesehen haben, zu veröffentlichen.«
    »Und Sie werden versuchen, uns daran zu hindern.«
    »Falsch«, sagte Wissler. »Ich
werde
Sie daran hindern. Vielleicht nicht ich persönlich, aber jemand.«
    »Jemand.« Stefan hatte plötzlich Mühe, nicht wirklich loszulachen. Aus einem Alptraum waren sie plötzlich in ein drittklassiges Schmierenstück geraten. »Sie meinen, irgendwelche Männer in einflußreichen Positionen, die dafür sorgen, daß man mir nicht glaubt. Und mich nötigenfalls auch ein wenig unter Druck setzen, falls ich nicht ›vernünftig‹ bin?«
    Wissler blieb vollkommen ruhig. »Ich meine es gut mit Ihnen, Stefan«, sagte er. »Mit Ihnen beiden.«
    »Ja«, sagte Stefan bitter. »Das haben wir gemerkt.«
    »Sehen Sie - und ich werde
diese
Diskussion nicht führen«, sagte Wissler. »Glauben Sie mir, oder lassen Sie es. Ich finde nur, Ihre Frau und Sie haben genug mitgemacht. Sie müssen sich nicht noch mehr Arger einhandeln.«
    »Ach ja?«
    »Ich mache es Ihnen einfach, Stefan«, sagte Wissler. »Die Leute, die mich hierhergeschickt haben, sind nicht besonders an Public Relation interessiert. Sie werden nicht zulassen, daß Sie reden, Stefan.«
    »Und wenn ich es doch versuche, wird mir etwas zustoßen«, vermutete Stefan. Die Drohung erschreckte ihn nicht. Er hatte sie erwartet.
    »Schlimmstenfalls selbst das«, sagte Wissler ruhig. »Aber es wird nicht nötig sein. Niemand wird Ihnen glauben. Sie haben keine Beweise für Ihre Geschichte. Nicht den allerkleinsten. Keine Bilder, keine Tonbandaufnahmen; nicht einmal einen Stempel in Ihrem Paß, der beweisen würde, daß sie auch nur in diesem Land waren. Aber es werden eine Menge Beweise dafür auftauchen, daß sie nicht hier gewesen sind.«
    »Und Sie glauben tatsächlich, daß mich das abhält?« fragte Stefan.
    »Wahrscheinlich nicht«, räumte Wissler unumwunden ein. »Aber wenn Sie sich auf dieses Spiel einlassen, verlieren Sie, glauben Sie mir. Es ist nicht das erste Mal, daß ich so etwas erlebe. Sie werden alles verlieren. Ihren Job, Ihre materielle Existenz, Ihre Glaubwürdigkeit.«
    »Ich zittere vor Angst«, antwortete Stefan spöttisch. Es war nicht einmal gespielt. Wisslers Drohung beeindruckte ihn nicht, wenn auch aus ganz anderen Gründen, als der Amerikaner ahnen mochte. Es war nicht das erste Mal, daß man versuchte, ihn unter Druck zu setzen, und er
nahm
diese Drohung durchaus ernst. Schließlich hatte er gesehen, wozu Wissler fähig war. Aber er war mit einer Bedrohung konfrontiert worden, die viel düsterer und subtiler war als alles, was Wissler oder die, für die er arbeitete, ihm antun konnten.
    »Sie glauben doch nicht wirklich an all diesen Blödsinn«, sagte Wissler. »Freiheit der Presse. Keine Zensur. Informationsfreiheit. Wahrheit.«
    »Sie natürlich nicht.«
    »Ich sagte bereits: Ich habe ein paarmal erlebt, wie so etwas funktioniert«, antwortete Wissler. »Und es funktioniert, glauben Sie mir. Und selbst, wenn nicht - was würden Sie damit erreichen? Ein paar Schlagzeilen. Ein wenig Aufsehen und ein bißchen aufgewirbelten Staub. Nach zwei Wochen hätte er sich gelegt, und kein Hahn kräht mehr nach dieser Geschichte.

Weitere Kostenlose Bücher