Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska
sind den Haufenwolken schon beträchtlich viel näher gekommen. Diese bilden einen phantastischen Hintergrund auf ihren Aufnahmen. Die Landschaft ist atemberaubend und das Licht optimal, da die Sonne noch nicht im Zenit steht und alles einen Schatten wirft. Nun fehlt ihr nur noch der klischeehafte vergletscherte Berg, der sich in einem glatten Bergsee spiegelt. Eine Aufnahme aus der Froschperspektive, vom Boden aus. Roberts Idee. Er weiß, was die Leute sehen wollen.
„Was meinst du, könnten wir noch näher an die Berge heran und dann runtergehen“, fragt sie Lucius, während die Maschine erneut in ein Luftloch sackt, auf dass sie glaubt, ihr würde der Magen hochkommen.
„Die Turbulenzen nehmen zu. Wir sollten nach Ricksdale zurückfliegen. Dort können wir das Wetter abwarten und später noch einmal herkommen. Ich habe keine Lust darauf, dass wir hier am Boden von einem Wettereinbruch überrascht werden. Tucker zerreißt mich in der Luft, wenn seiner Alten Lady was zustößt.“
Dann eben kein Robert-Klischee-Bild. „Wann rechnest du mit dem Unwetter?“
Er zuckt unschlüssig die Schultern. „Schwer zu sagen. In drei bis fünf Stunden vielleicht.“
Lucy überlegt. „Wenn es schneien sollte, kann ich sowieso gleich wieder nach Hause fliegen. Dann ist es aus mit dem Indian Summer.“
Lucius nickt. „Heil anzukommen ist wichtiger!“
„Du hast Recht“, räumt Lucy seufzend ein. Sie kneift die Augen zu zwei Schlitzen zusammen. Wenig vor ihnen glaubt sie, ein dunkles Gebilde zu erkennen. Es scheint schnell seine Form zu ändern.
„Verflucht“, ruft Lucius aus. Er versucht noch, die Maschine hochzureißen, als Lucy ein dumpfes Geräusch wahrnimmt, welches den Flieger leicht vibrieren lässt.
Plötzlich prallt etwas direkt vor ihr mit lautem Knall an die Frontscheibe, so dass Lucy erschreckt aufschreit. Es hinterlässt neben einem großen blutroten Fleck einen Riss im Glas. Lucy starrt ihn verwirrt an.
„Lucy“, ruft Lucius eindringlich und reißt sie damit aus der Starre. „Geh nach hinten, schnall dich an und nimm den Kopf zwischen die Beine!“
Sie ist bestürzt.
„Sofort! Wir stürzen ab!“
Hektisch versucht sie, sich abzuschnallen. Das Cockpit neigt sich leicht nach unten, als sie endlich frei kommt. Sie schwankt nach hinten zu den Rücksitzen, lässt sich in den nächstbesten von ihnen fallen, rutscht jedoch wieder aus ihm heraus, so stark hat sich die Maschine bereits nach unten geneigt.
„Hast du dich angeschnallt“, fährt Lucius sie von vorne an. „Schnall dich an Lucy!“
„Verdammt!“ Sie stemmt sich mit den Füßen am Vordersitz ab und schafft es wieder in den Sitz, schnallt sich fahrig an. Was sie dann durch die Frontscheibe hindurch sieht, lässt sie wieder erstarren. Sie bewegen sich im Sturzflug rasend schnell auf den Wald zu. Es ist dasselbe Gefühl, wie in ihrem Alptraum. Sie zieht den Kopf ein, verspürt noch einen harten Schlag gegen das Kinn und es wird dunkel.
Es ist still. Nicht einmal eine Vogelstimme ist zu vernehmen. Es riecht nach feuchter Erde und Baumharz. Lucys Oberkörper und ihr Gesicht schmerzen. Sie schlägt die Augen auf. Überall liegen Glassplitter verstreut umher, die Frontscheibe und die Seitenfenster fehlen. Der Innenraum der Cessna ist mit Erde, Zweigen, Gras und Holzresten übersät. Es zeugt noch von der immensen Kraft, die zerstörerisch über sie gekommen ist. Sie kann sie beinahe noch spüren. Alles, was nicht festgezurrt war, liegt wirr durcheinander. Sie richtet sich langsam in ihrem Sitz auf und schaut an sich herab. Kein Blut. Sie bewegt ihre Glieder. Bis auf ein paar geprellte Rippen und ein schmerzendes Gesicht scheint sie in Ordnung zu sein.
„Lucius?“ Es kommt keine Antwort und es durchfährt sie blitzartig. „Lucius!“ Sie schnallt sich ab und tastet sich langsam nach vorn. Sie hat Angst vor dem, was sie gleich erblicken wird. Ihr Platz im Cockpit, auf dem sie noch vor kurzem saß, wurde aus der Verankerung gefetzt und liegt jetzt quer. Lucius ist auf seinem Sitz in sich zusammengesunken. Ein großer Glassplitter ragt im Brustbereich aus seiner Jacke hervor. Sein Kopf ist zur Seite geneigt. Im Gesicht hat er einige kleinere Schnittwunden. Ihr Blick wandert zurück zu seinem Brustkorb. Er hebt und senkt sich ganz langsam.
„Gott sei Dank“, entringt es sich ihr, bevor sie wieder nach hinten geht und damit beginnt, nach dem Sanikasten zu wühlen. Sie sucht verzweifelt unter Trümmern, Erde und Stücken ihrer Ausrüstung,
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