Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska
Jeremy packt ihr gesundes Bein, damit sie nicht an ihm herunter rutschen kann und setzt sich vorsichtig mit ihr in Bewegung. Tom und Liam machen ihnen die Bahn frei. Die Menge verabschiedet sie grölend. Lucy winkt ihnen lächelnd zu. Sie erheischt noch einen Blick auf Lucius, der ihr aufmunternd zunickt, bevor Paula wieder seine Aufmerksamkeit fordert.
Als sie um die Ecke des Ganges biegen, verebbt das Gelärm. Robert kommt neben sie. „Du bist ernsthaft verletzt, Lu. Wir werden gleich morgen zurück nach L.A. fliegen, damit sich Walter das mal ansehen kann.“
Walter, sein über alles geschätzter „Leibarzt“.
„Ich will noch hier bleiben, Robert.“
„Hier, in dieser Kälte?“ Er blickt sie durchdringend an, geht zu ihrem Erstaunen jedoch nicht weiter darauf ein. Früher hätte er so lange debattiert, bis sie ihm nachgegeben hätte.
Er nickt. „Also schön. Dann lasse ich ihn einfliegen.“
„Ach Robert. Sicher gibt es auch hier gute Ärzte“, wendet sie ärgerlich ein.
„Bessere als Walter?“
Sie schweigt und gibt schließlich mit einem gequälten Seufzen nach.
„Kopf runter, Lu“, meint Jeremy und bleibt vor einem Türsturz stehen. Er bückt sich vorsichtig mit ihr darunter hinweg und geht weiter.
„Wo sind denn nun meine Eltern?“ Sie will sie unbedingt zur Rede stellen.
„Sie warten im Quartier auf uns. Wollten sich den Rummel ersparen.“
QUARTIER. Mit Robert bezieht sie immer irgendwo auf der Welt Quartier. Wie früher mit ihren Eltern. Nur eben viel luxuriöser. Oft kommen sie in ihr HAUPTQUARTIER nach L.A., um Geschäftliches zu erledigen, in den Studios das Schneiden der Filme zu überwachen oder das Drucken der Zeitungen. Eigentlich hat er dafür qualifiziertes Personal. Doch er überlässt nur ungern etwas dem Zufall. Denn nur er hat den Überblick, hat das beste Gespür, was die Leute sehen und lesen wollen. Ein Garant für ihren Erfolg. Was das betrifft, ist Robert wirklich genial. Ebenso genial, wie sie. Seine Entdeckung. Die hochbegabte Promotions-Studentin, die sie damals war. Die den Grips und das Äußere hatte, seinen Filmen Leben einzuhauchen, sie inhaltlich zu leiten. Beruflich gesehen sind sie ein Traumteam. Es ist die perfekte Zweckgemeinschaft. Doch ihre Liebe ist eine Farce. Es war nicht immer so. Anfangs waren sie unsterblich ineinander verliebt. Doch die Wirklichkeit hat sie längst eingeholt. Denn sie sind Grund verschieden. Er versteht ihre Naturverbundenheit nicht, da seine eigene nur durch den Kommerz diktiert wird, den er aus der Natur zieht. Er ist vom Scheitel bis zur Sohle materiell eingestellt. Und sie haben es verlernt, durch ihr Inneres hindurch miteinander zu reden.
Jeremy lässt sie am Ausgang behutsam an seinem Rücken herabgleiten. Robert kommt wieder an ihre Seite und dirigiert sie über einen vereisten Gehweg zu einem riesigen schwarzen Jeep, der genau vorm Eingang geparkt ist.
„Was Besseres gab’s leider nicht“, knurrt er.
Lucy verdreht die Augen. Vermutlich hat er schon den ganzen Tag schlechte Laune deswegen. Er ist das beste Beispiel dafür, dass Geld nicht glücklich macht. Nur immer wieder unzufrieden.
Lucy nimmt im großen Innenraum des Jeeps auf einem weichgepolsterten Sitz Platz. Es ist eine Luxusausstattung. Was sonst. Liam klemmt sich hinters Steuer, Robert nimmt neben ihm Platz. Er lässt wirklich bei jeder Gelegenheit den Boss raushängen. Ich hab‘ ihn noch nie neben mir sitzen sehen. Oder gar am Steuer.
Jeremy und Tom setzen sich ihr gegenüber. „Hey Lu. Nun erzähl‘ doch mal“, fordert Jeremy sie erwartungsvoll auf.
Sie lächelt ihn an. „Es war wirklich ein Abenteuer. Wir waren ganz auf uns allein gestellt.“
„Aber wie habt ihr das gemacht? Wo habt ihr gewohnt?“
„In einer alten Holzhütte. Und wir haben gejagt.“
Robert schnaubt verächtlich. „Das klingt wenig reizvoll. Dürfte ja ganz nach deinem Geschmack gewesen sein. … Aber Lu, DU hast wilde Tiere umgebracht?“
„So, wie es sich die Natur für unsere Rasse ausgedacht hat. Ja.“
„Und konntest du nun diesem Traumtypen widerstehen“, will Jeremy wissen.
Lucy atmet durch. Wenn sie es verneint, dann würden sie alle bloß lachen. Selbst Robert. Aber es ist ihr heilig. „Das geht dich nichts an, Jeremy.“ Sie sieht aus dem Fenster.
Jeremy stößt einen provokativen Pfiff aus.
„Ach, halt’s Maul, Jeremy“, blafft Robert ihn schlecht gelaunt an.
Du hast es also kapiert. Sehr gut.
„Er ist dein Traumtyp“, zieht Jeremy sie
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