Wolfsinstinkt
hier zustoßen könnte. Er wollte einzig an Tala denken. Nicht an Nashoba, der ihnen vielleicht bis hierher gefolgt war und nun seine Witterung aufgenommen hatte. Genauso wenig an andere wilde Tiere, die nachts aus ihren Löchern kamen.
Endlich lichtete sich der Wald etwas, und dann erkannte Ricky das Zelt und Tala. Er stand am Rand des Waldes und schaute in seine Richtung. Ricky wurde langsamer. Schwer atmend fand er endlich zum Lager zurück. Er erreichte Tala und rang nach Luft.
Der grinste ihm entgegen.
„Ich wusste, dass du es alleine schaffst“, sagte Tala. Er küsste ihn auf die Stirn und nahm ihm den Ast ab. „Deine Instinkte entwickeln sich immer weiter.“
Ricky stand da wie vom Donner gerührt.
„Du ARSCHLOCH!“, brüllte er ihn an, als er sich aus seiner Starre befreit hatte. „Du DÄMLICHES Arschloch! Hast du eine Ahnung, was für ANGST ich hatte? Und DU? Du sitzt hier in aller Seelenruhe herum und grinst dir eins, während ich mich verlaufe!“
Er schubste Tala von sich und stapfte wütend auf die Feuerstelle zu, umrundete sie aufgebracht und starrte Tala wieder an.
„Was wäre passiert, wenn ich es nicht geschafft hätte? Oder wenn ... wenn Nashoba mich angegriffen hätte?“
Er zitterte am ganzen Körper und war nicht in der Lage, sich zu beruhigen. Dunkles Knurren hing ihm in der Kehle und ließ sich nur mit Mühe unterdrücken. Dafür bebten seine Nasenflügel wie die Nüstern eines Pferdes. Oder eines … Wolfs.
„Unsinn“, sagte Tala mit einem beruhigenden Lächeln, wobei er auf ihn zu kam, um ihn sanft in die Arme zu nehmen. „Nashoba ist nicht in der Nähe, und wenn ich deine Witterung verloren hätte, wäre ich gekommen, um dich zu suchen.“
Doch so richtig beruhigte Ricky das nicht.
„Vielen Dank!“, knurrte er. „Mein Freund kommt mich retten, wenn’s schon zu spät ist. Wirklich sehr nett!“
Tala seufzte leise und rieb sich die Nasenwurzel.
„Ricky, du solltest wissen, dass ich dich niemals in Gefahr bringen würde. Ich spüre es, wenn etwas nicht stimmt, und ich habe es gespürt, als du dich wieder unter Kontrolle bekommen und den richtigen Weg eingeschlagen hast.“
Tala legte die Hände an Rickys Schultern und sah ihn durchdringend an. „Ich bin nicht nur dein Freund und dein Partner, Ricky. Ich bin jetzt auch dein Mentor, und du musst lernen, den Wolf in dir zu erkennen und zu nutzen. Und Scheiße, du machst das besser als ich damals.“
Ricky schnaubte und versuchte sich nicht von Talas Sunnyboylächeln beeinflussen zu lassen.
„Wenn du dich irgendwann verwandeln und dein ganzes Wesen entfalten willst, musst du langsam mit dem Training beginnen.“
„Und wer sagt, dass ich das will?“, platzte es auf einmal aus Ricky heraus. „Vielleicht will ich mich ja gar nicht verwandeln. Vielleicht will ich ja gar kein Wolf mehr sein! Du solltest doch am Besten wissen, was passieren kann.“
Nun sah Tala ziemlich verwirrt aus. „Was meinst du damit? Was sollte passieren?“
Ricky schüttelte verständnislos den Kopf. „Deine Geschichte mit Hon? Was ist damit? Ihr seid aufgewachsen wie Brüder, und kaum dass ihr euch verwandelt habt, seid ihr aufeinander losgegangen. Ich will nun mal nicht gegen dich kämpfen. Und ich will nicht riskieren, dass wir uns trennen müssen.“
Schon wieder lachte Tala zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. „Ricky. Das war damals etwas ganz anderes. Wir waren beide jung und triebgesteuert und wussten nicht, was wir taten. Wir sind da nicht gegen angekommen. Und wir waren auch nicht füreinander geschaffen.“
Tala strich ihm durchs Haar und zog ihn etwas dichter an sich.
„Vertrau mir, Ricky. Das wird uns nicht passieren. Du wirst mich nicht angreifen und wir werden nicht gegeneinander kämpfen müssen.“
Stur schaute Ricky zu Boden. Er wollte nichts davon hören, dass alles gut werden würde. Erst recht nicht davon, dass sie nicht gegeneinander kämpfen oder sich gar trennen mussten. Er glaubte einfach nicht daran, dass es so einfach werden würde, wie Tala es darstellte. Verdammt, sicher hatten weder Matoskah noch Tala umsonst so besorgt gewirkt, als sie über dieses Thema gesprochen hatten! Ricky spürte, wie langsam aber sicher die Verzweiflung in ihm aufkochte.
„Ich glaube das nicht“, murmelte er kopfschüttelnd. „Ich glaube dir nicht, dass ich mich so ohne Weiteres in einen Wolf verwandele und sich trotzdem zwischen uns nichts ändert.“
Sein Magen zog sich zusammen, wie vorhin schon, nur dass er jetzt
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