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Wolfsinstinkt

Wolfsinstinkt

Titel: Wolfsinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Seidel
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zusätzlich den bitteren Geschmack von Galle im Mund hatte. Wenn er ganz ehrlich war, verstörte ihn das Ganze, was in der nächsten Zeit auf ihn zukam. Der Umzug in die Berge, die Frage, ob sie aufgenommen werden würden, die Bedrohung, die von Nashoba ausging, die Angst, Tala zu verlieren. Vor allem Letzteres.
    Sanft spürte er Talas Hand in seinen Haaren.
    „Du brauchst keine Angst zu haben, mein kleiner Welpe “, flüsterte Tala in einem weichen und liebevollen Ton. „Ich würde lieber den Wolf in mir verleugnen, als mich von dir zu trennen.“
    Ricky schüttelte leicht den Kopf. „Das ist alles einfach zu viel, Tala. Und ich will nicht auch noch Angst haben müssen, dass ich mich jeden Moment verwandeln könnte.“
    Tala seufzte schwer, schien aber wenigstens halbwegs zu begreifen, was Ricky meinte.
    „Vielleicht beruhigt es dich ja, wenn ich dir sage, dass die Chance groß ist, dass ich es merke.“
    Ricky blinzelte verblüfft zu ihm auf. „Was merken?“
    „Wenn der Zeitpunkt näher rückt. Wenn deine Verwandlung näher rückt, besteht die Chance, dass ich es spüren und riechen kann.“
    Das war ein wenig beruhigend, trotzdem fühlte Ricky sich nicht so richtig wohl in seiner Haut.
    „Werde ich mich verändern?“, fragte er schließlich unsicher. Er war sich nicht so ganz darüber im Klaren, ob er die Antwort wirklich hören wollte, aber jetzt war die Frage gestellt.
    Tala schüttelte leicht den Kopf. „Nein, das wirst du nicht. Alles, was diese Verwandlung mit dir macht ist ... hm ... Das ist kompliziert zu erklären. Der Wolf in dir hat ein ganz eigenes Wesen, Ricky. Aber das bist trotzdem immer noch du. An deinem Charakter und deiner Art wird sich deswegen nichts ändern. Der Wolf ist ein Teil von dir und kein Fremdkörper, der dich einnimmt und manipuliert. Aber du wirst erst dann vollkommen der Mensch sein, der du sein kannst, wenn du beide Teile deiner Persönlichkeit annimmst. Der Wolf gehört ebenso zu dir wie deine jetzige Gestalt, Ricky. Du musst ihn nur zulassen. Ganz bewusst.“
    Das klang alles schön und gut, wenngleich es auch etwas Schizophrenes an sich hatte. Ricky wollte trotzdem nicht darüber nachdenken.
    „Okay“, flüsterte er nickend. „Ich vertraue darauf, dass du es merkst, wenn ich zum Wolf werde. Und ich verlasse mich darauf, dass es so ist, wie du sagst, und es nicht mehr Nachteile mit sich bringt, als auf vier Pfoten durch die Gegend zu rennen.“
    Ricky entspannte sich ein wenig und lehnte sich gegen Tala, der sofort schützend seine Arme um ihn legte.
    „Was ist eigentlich mit den Hasen?“, fragte Ricky mit Blick auf die ausgenommenen und abgezogenen Tiere, als sein Magen sich knurrend zu Wort meldete.
    „Wenn du ein Wolf wärst, könnten wir gleich essen“, erwiderte Tala grinsend und bekam dafür einen harten Knuff in die Rippen.
    Tala ließ ihn los, kniete sich neben das Wild und spießte es auf den Ast auf. Ricky beobachtete neugierig, wie er diese Spieße dann in die Asche st eckte, die sich inzwischen unter dem Feuer gebildet hatte.
    Der Abend wandelte sich schnell zur Nacht. Aus dem Wald hinter ihnen drangen unheimliche Geräusche, doch während Ricky sich an Tala kuschelte und die Felldecke etwas enger um sie zog, fühlte er sich so sicher, als säßen sie vor seinem Kamin und nicht mitten in der Wildnis.
    Zu dem Fleisch aßen sie noch etwas Brot und tranken Wasser. Die meiste Zeit schwiegen sie, und Ricky hing einfach seinen Gedanken nach. Er dachte nicht an das, was auf ihn zukam, sondern hauptsächlich an seine Vergangenheit. Eigentlich ließ er nichts zurück, was annähernd so viel Wert hatte wie seine Beziehung zu Tala. Er hatte keine Freunde, seine Familie duldete ihn mehr, als dass sie ihn liebte. Gut, seine Schwester bildete vielleicht eine Ausnahme. Zumindest hin und wieder, wenn sie sich nicht nahe genug kamen, um streiten zu können. Zeichnen konnte er überall, wo er hinging, und das Haus, das er gekauft hatte, hatte lediglich finanziellen Wert. Er hing nicht mit dem Herzen daran. Er dachte an seine Schulzeit und an die Zeit danach. Er erinnerte sich an die Wochen, in denen er vollkommen abgerutscht war, die Monate, die er am Boden verbracht hatte, und die Tage in der Klinik. Dieser Zeitraum hatte sein Leben bestimmt. Doch jetzt ... Jetzt hatte er Tala und er würde ihm überall hin folgen. Sogar ohne jede Verpflegung und jeden Plan.
    „Ich liebe dich, Tala“, wisperte er schließlich in die Finsternis hinein, als sie das Abendessen schon

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