Wolfsinstinkt
schlagen. Bevor er erkannte, wer oder was da auf ihn zukam, hörte er lang gezogenes Heulen und anschließend das heisere Bellen, das nur von Tala stammen konnte.
Ricky lachte auf und warf den brennenden Ast zurück ins Feuer. Tatsächlich brach gleich darauf ein großer Wolf durch das Unterholz und kam mit großen Sprüngen auf ihn zu.
„Wie appetitlich“, sagte Ricky mit Blick auf die toten Hasen, die mit durchgebissener Kehle vor seinen Füßen landeten. Tala nahm seine menschliche Gestalt an und stellte sich machohaft vor ihn.
„Na endlich!“ Ricky zog ihn dicht an sich und küsste ihn das erste Mal seit dem Morgen. Er verzog das Gesicht, weil Talas Kuss den Geschmack von frischem Blut in sich trug. Tala lachte leise, als ihre Lippen sich trennten.
„Ich weiß. Es war anstrengend für dich, den ganzen Tag nur einen Wolf um dich zu haben, aber so sind meine Sinne einfach besser.“
Ricky nickte. „Ja. Ich weiß. Trotzdem hast du mir gefehlt.“
Er stahl sich einen weiteren Kuss und begutachtete anschließend die Hasen am Boden. „Du scheinst ziemlich großen Hunger zu haben.“
Tala grinste und widmete sich nun den Tieren.
„Nein“, sagte er. „Ich sorge schon mal vor. So haben wir gleich Frühstück für morgen. Wenn wir erstmal aus dem Wald raus sind, werden wir uns hauptsächlich von kleineren Tieren und dem Proviant aus der Siedlung ernähren müssen .“
Ricky wusste nicht, was daran so verkehrt sein sollte. Immerhin war das Brot einfach köstlich und das Trockenfleisch sättigte ungemein. Als er den Gedanken zu Ende führte, wurde ihm klar, dass Tala wahrscheinlich recht hatte. Es war auf Dauer nicht sonderlich viel Abwechslung.
„Wenn wir gut vorankommen, erreichen wir in drei Tagen einen Fluss“, sagte Tala, während er seine Messer aus dem Rucksack suchte. „Das heißt, es wird zur Abwechslung vielleicht etwas Fisch geben. In den Bergen wird das Jagen allerdings noch etwas anspruchsvoller werden.“
„Du denkst wirklich ziemlich weit voraus“, murmelte Ricky. „Kann ich irgendwie helfen?“
Er hoffte schwer, dass Tala eine andere Aufgabe für ihn hatte, denn auf das Ausziehen und Ausnehmen von Hasen konnte er beim besten Willen verzichten.
Tala sah von den toten Tieren auf und betrachtete Ricky mit einem kleinen Grinsen.
„Wir brauchen einen Ast, der dick und lang genug ist, um sie zumindest teilweise drauf aufspießen zu können“, befahl er, und Ricky hatte das dumpfe Gefühl, dass Tala haargenau wusste, dass er lieber nicht beim Ausweiden dabei war.
Ricky machte sich also auf die Suche nach einem passenden Ast und bemerkte dabei vor lauter Entdeckerlust gar nicht, wie weit er sich von Tala entfernte. Erst als er ein passendes Stück gefunden hatte und sich freudig zu Tala umdrehen wollte, entdeckte er, dass er nicht mal eine Ahnung hatte, aus welcher Richtung er gekommen war. Auf der Stelle zog sich sein Magen zusammen und Angst machte sich in ihm breit.
„Tala?“, rief er laut, wobei es ihm egal war, ob ihn außer Tala nach jemand hörte. „Tala? Wo bist du?“
Er machte ein paar Schritte in die eine Richtung, drehte sich dann um, lief ein paar Schritte in die andere Richtung und lauschte angestrengt, ob er Antwort bekäme. Doch sein Herz schlug so laut, dass er sich nicht sicher war, ob er überhaupt irgendetwas anderes hörte. Panik machte sich ihm breit, sein Atem strömte hektisch über seine Lippen und kalter Schweiß lief ihm in breiten Bahnen über den Rücken.
Er musste runterkommen. Er musste sich beruhigen. Noch einmal rief er nach Tala, aber er erhielt keine Antwort. Gespannt wartete er auf das Geräusch brechender Äste oder Talas Stimme. Nichts.
„Okay, Ricky. Ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung. Er hätte dich nicht gehen lassen, wenn es zu gefährlich wäre. Immer mit der Ruhe!”
Angestrengt versuchte Ricky die Panik runterzuspielen und klammerte sich dabei so fest an den Stock in seiner Hand, dass die Rinde bereits in seine Haut schnitt. Ihm fiel ein, was Matoskah ihm gesagt hatte, als Tala wütend und aufgebracht davon gelaufen war, um in sein Dorf zurückzukehren. Irgendwas von Instinkt.
„In Ordnung. Du hast ihn schon einmal gefunden, ohne genau zu wissen, wo du hin musst. Das schaffst du auch noch einmal.“ Seine Stimme zitterte, während er versuchte sich gut zuzureden.
Langsam schloss er die Augen und atmete tief durch. Einmal. Ein zweites Mal. Er drehte sich um und rannte los. Verzweifelt versuchte er nicht daran zu denken, was ihm
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