Wolfsinstinkt
die wilden Kräuter, mit denen Tala das Fleisch eingerieben hatte, schmeckte es wirklich ausg ezeichnet. Ricky konnte das ganze Frühstück genießen, auch wenn Tala ihn letzten Endes drängte, damit sie los konnten.
Schließlich waren sie satt, und als sie ihre Sachen gepackt und die Feuerstelle gelöscht hatten, konnten sie sich endlich auf den Weg machen.
Tala zog ihn an sich und küsste ihn liebevoll. Ricky konnte sich denken, wieso, und er kostete den kratzigen Kuss in vollen Zügen aus. Kaum dass Tala sich von ihm löste, nahm er seine Wolfsgestalt erneut an und sank auf alle viere hinab.
Ricky seufzte, lächelte aber, als er Tala durch den Kragen fuhr.
„Du bist wirklich der schönste Wolf, den ich je gesehen habe, Tala.“
Tala ließ ein freudiges Bellen vernehmen, dann lief er voran.
Der Tag zog sich in die Länge, und Ricky stellte erneut fest, dass es ermüdend war, mit einem Wolf als Begleitung durch die Wildnis zu laufen. Die Ansprache fehlte ihm und er erkannte, wie sehr er auf andere Menschen eigentlich angewiesen war, zumindest in der kommunikativen Hinsicht. So konnte er zwar Tala beim Umherstreifen zusehen, was an sich zwar recht interessant war, auf Dauer allerdings weniger unterhaltsam als ein Gespräch oder allein das Wissen, dass ein anderer Mensch neben ihm lief.
Tala schien das zu spüren.
Gegen Mittag änderte er seine Gestalt für eine kurze Weile und marschierte als Mensch neben ihm her. Ricky war dafür unglaublich dankbar und genoss die wenigen Minuten in Gesellschaft seines Geliebten, zumal sie rasten und ein paar Bissen Fleisch und Brot zu sich nehmen wollten. Als sie ihren Weg fortsetzten, wurde aus Tala wieder der große Wolf, der sich aufmerksam in alle Richtungen umwandte und die Ohren zu jedem Geräusch drehte, das ihn erreichte, um sicherzugehen, dass sie nicht in Gefahr waren.
Der Wald, den sie inzwischen erreicht hatten, schien unendlich zu sein, und Ricky kam es vor, als seien sie der Bergkette kein Stück näher gekommen.
Die Bäume hier standen dichter als in dem Wald, in dem sich die Siedlung der Indianer befand. Mit jedem Schritt glaubte Ricky mehr daran, dass sie sich früher oder später verlaufen mussten. Jedes Mal wenn diese Zweifel in ihm aufkamen, schob Tala den Kopf in seine Hand und sah ihn aus den großen braunen Augen so beruhigend an, wie nur er es konnte.
Die zweite Nacht im Freien war unheimlicher als die Erste. Vor allem weil Tala nach dem Essen darauf bestand, die Nacht in seiner Wolfsgestalt zu verbringen. Der warme, weiche Wolfskörper legte sich zwar schützend an Ricky, als sie sich dicht an dicht ins Zelt kuschelten, doch Ricky merkte, dass Talas Ohren manchmal zuckten. Dann und wann hob der Wolf den Kopf, schnüffelte kurz und legte ihn schließlich ab.
Ricky bekam nicht viel Schlaf in dieser Nacht. Talas Unruhe steckte ihn zunehmend an. Am nächsten Morgen brachen sie früh wieder auf.
„Tala? Was ist los mit dir?“, fragte Ricky, bevor der Mann seine Wolfsgestalt annehmen konnte.
Tala seufzte und legte die Hände an Rickys Schultern. „Mach dir keine Sorgen, ja? Ich bin nur etwas unruhig, weil wir mein Revier inzwischen lange verlassen haben. Ich kenne mich hier kaum aus und weiß nicht, was auf uns zukommt. Das ist alles.“
„Kannst du nicht eine Weile so bleiben? Wenigstens ein paar Minuten? Sonst vereinsame ich.“
Ricky sah, dass Tala seufzte, und schlagartig wuchs seine Nervosität.
„Ein paar Minuten“, sagte Tala aber mit so weicher und beruhigender Stimme, dass Ricky gar nicht anders konnte, als sich wieder zu entspannen. Er schulterte den Rucksack erneut, der ein klein wenig leichter war als am Vortag.
Ricky war froh darüber, immerhin war er derjenige, der das Ding die ganze Zeit schleppen musste. Er war schon drauf und dran, Tala zu fragen, ob der den Rucksack nicht eine Weile tragen wollte, überlegte es sich jedoch schnell anders. Es war sein Krempel, den er mit sich trug und nicht Talas. Davon abgesehen war Ricky sich sicher, dass sie noch schneller vorangekommen wären, würde er seine Verwandlung endlich hinbekommen.
Hand in Hand machten sie sich auf den Weg, doch sogar die kurze Zeit, die Tala als Mensch verbrachte, machte Ricky klar, dass sie so nur noch langsamer vorwärtskamen. Er wusste nicht, was ihm lieber war: das Gefühl, seinen Geliebten bei sich zu haben, oder die Sicherheit, die Tala als Wolf bedeutete.
Gegen Mittag ballten sich schwarze Wolken über ihnen zusammen, keine Stunde später prasselte
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