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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Gesicht gab es ein anderes Gesicht, hinter jedem ausgesprochenen Satz lauerten dunkle Motive. Ja, er hatte paranoide Vorstellungen. Er hatte sogar ein Attest dafür.
    Das Mädchen wartete auf ihn in dem düsteren Zimmer. Mit durchgedrücktem Rücken, herunterhängenden Armen und der Bohrmaschine in der Hand. Jerry setzte sich auf das Bett und öffnete den Gitarrenkasten.
    »Hallo, Schwesterherz. Hast du mich vermisst?«
    Das Mädchen antwortete nicht. Jerry entspannte sich ein wenig. Er schlug ein Emaj7 an, und das Mädchen nahm den Ton auf. Noch ein paar Akkorde mehr, eine improvisierte Folge, unddas Mädchen sang eine Melodie. Jerry atmete mit einem langen Seufzer aus. Das Mädchen stand im Dunkeln hinten am CD-Spieler, sodass er nur ihre Konturen sehen konnte.
    »Verdammt, Schwesterherz«, sagte er. »Mit dir kann man es wenigstens aushalten.«
    Er legte die Gitarre ab und ging zum Fenster, um die Decke wegzuziehen. Als er eine Ecke anhob, hieb ihm das Mädchen die Bohrmaschine gegen den Oberschenkel und schrie: »Nicht!«
    Jerry zuckte zurück und ließ die Decke los, sodass sie herunterfiel. »Was zum Teufel machst du …«
    Er verstummte. Das Mädchen hockte zusammengekauert in der Ecke und hielt die Bohrmaschine und die Augen auf das Fenster gerichtet. Jerry hockte sich vor sie hin. »Was ist? Du bist echt noch ein paar Nummern irrer als ich. Hast du Angst vor dem Fenster?«
    »Große«, sagte das Mädchen. »Gefährlich draußen. Wollen Kleine essen.«
    »Was sagst du da? Da draußen gibt es Große, die dich essen wollen?«
    »Ja.«
    Jerry nickte. »Da hast du verdammt noch mal recht. Das ist die richtige Einstellung. Hätte man ein bisschen früher begreifen sollen, was? Warum wollen sie das denn tun?«
    »Hass im Kopf.«
    Jerry ahnte, worum es ging. Er hatte sich selbst schon Gedanken darüber gemacht, was Lennart und Laila wohl veranstalten würden, um das Mädchen im Haus zu halten. Offensichtlich hatten sie eine Lösung gefunden.
    »Und ich?«, sagte er. »Warum will ich dich nicht aufessen?«
    »Liebe im Kopf.«
    »Liebe im … Du meinst, dass ich dich irgendwie lieb habe?«
    Das Mädchen antwortete nicht. Ein Schatten huschte über die Wand, als Lennart und Laila draußen vorbeigingen. Das Mädchen zuckte zusammen und kroch noch weiter in die Ecke.Als Jerry die Decke wieder aufhängte, entspannte sie sich und sagte: »Spielen, singen.«
    Sie jammten eine Weile zusammen. Jerry spielte Lieder in Moll, und das Mädchen ließ sie mit ihren klaren, fließenden Läufen noch ein bisschen düsterer klingen, verwandelte die einfachen Melodien in einen Trauergesang über das ganze Leben und die menschliche Existenz. Für mindestens fünfzehn Minuten fühlte Jerry nicht die geringste Angst, und er hätte sehr viel länger weitermachen können, wenn sein immer härter werdender Anschlag nicht eine Saite zum Reißen gebracht hätte.
    Sein Rücken war schweißnass, als er die Gitarre zurück in den Kasten legte und das Schloss zuschnappen ließ. »Weißt du was?«, sagte er, ohne Theres anzuschauen. »Egal wie durchgeknallt du bist, du hast trotzdem recht. Wenn ich jemanden liebe, dann liebe ich dich!«
    26
    Nach diesem Tag wurden Jerrys Besuche wieder regelmäßiger. Laila bedauerte, dass er für sie und Lennart nichts mehr übrighatte, fand aber Trost in der Tatsache, dass ihm die Besuche bei dem Mädchen gutzutun schienen. Die dunklen Wolken, die über ihm hingen, wenn er kam, waren immer ein bisschen verflogen, wenn er aus dem Keller zurückkam.
    Laila fuhr mit ihrem Unterricht fort. Nach einer Weile konnte das Mädchen Wörter in großen wie auch in kleinen Buchstaben lesen, die nichts mit irgendeinem Lied zu tun hatten, obwohl sie sie in einem merkwürdigen, singenden Tonfall aussprach. Jetzt war es an der Zeit für den nächsten Schritt: dem Mädchen beizubringen, die Buchstaben selbst zu zeichnen. Zu schreiben.
    Es stellte sich heraus, dass es noch schwerer war, sie durch dieses Labyrinth zu manövrieren. Das Mädchen konnte einen Stift halten, weigerte sich aber, die Buchstaben abzuzeichnen, die Laila auf einen Block geschrieben hatte. Als Laila versuchte,ihre Hand zu führen, knurrte das Mädchen oder brüllte irgendeinen Fluch heraus, den sie vermutlich von Jerry gehört hatte. Es hätte komisch sein können, aus dem Mund des Mädchens ein lautstarkes »Verdammter Mist!« oder »Verfluchte Kacke!« zu hören, wenn sie die Wörter nicht mit einer solchen Aggressivität ausgespuckt und gleichzeitig versucht

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