Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
vier Kilo mehr als im September, aber sie hatten sich an den falschen Stellen festgesetzt.
Sie hatte wahrscheinlich die größten Brüste in der Klasse, aber statt sie mit Push-ups und knappen Shirts zu betonen, wie andere Mädchen es machten, wollte sie sie verbergen, zurückdrücken. Sie waren zu nichts gut, außer dass sie sich mit ihnen noch abstoßender und plumper vorkam.
Teresa schaute sich im Spiegel in die Augen und fasste einen Beschluss. Sie würde nicht herumsitzen und sich selbst bemitleiden. Sie würde etwas dagegen tun. Zwischen den Utensilien ihrer Mutter fand sie eine Reinigungscreme, mit der sie ihr Gesicht massierte, bis die Haut rot war. Sie spülte sie ab und rieb sich das Gesicht trocken. Der fette Glanz auf den Wangen war fürs Erste verschwunden.
Sie holte ihre Kapuzenjacke und Hosen aus dem Schrank und schnürte sich die Turnschuhe. Sie würde anfangen zu laufen. Vier Mal in der Woche, mindestens. Ja. Das war das Richtige für sie. Allein über die Wege laufen, sich selbst quälen. Sie würde ein Wolf werden, ein einsamer Wolf, der stark und schnell an den Wohnungen der Menschen vorbeistrich. Der Wolf würde das Schweinchen mit Haut und Haaren fressen.
Ihre Wangen waren noch immer von der Reinigungscreme und ihrer eigenen Entschlossenheit erhitzt, als sie die Einfahrt hinunterlief. Nach zweihundert Metern begann die kalte Luft in ihren Lungen zu beißen. Sie biss die Zähne zusammen und schleppte sich weiter.
Nach weiteren zweihundert Metern tat die Brust so weh, dass sie am liebsten stehen geblieben wäre, wenn sie nicht hinter sich ein Mofa herankommen gehört hätte. Sie zwang sich, weiterzulaufen, wollte nicht, dass irgendjemand sah, wie sie aufgab.
Das Mofa fuhr zu ihr auf. Am Lenker saß Stefan aus der achten Klasse und hinter ihm Jenny, die in Teresas Klasse ging. Jenny ließ nie eine Gelegenheit aus, um zu erzählen, was Stefan gesagt und was Stefan getan hatte, damit auch jeder wusste, wie sehr sie mit ihm zusammen war.
Stefan ging vom Gas und fuhr neben ihr her.
»Schneller, schneller!«, rief er.
Teresa zwang sich zu einem Lächeln und lief im selben Takt weiter, so langsam, dass Stefan gezwungen war, sich mit den Füßen abzustützen, damit das Mofa nicht umfiel. Ihr Brustkorb drohte zu explodieren.
Über das Geknatter des Mofas hinweg rief Jenny: »Setz deinen Arsch in Bewegung!« und beugte sich hinüber, um Teresa einen Klatsch auf den Hintern zu verpassen. Die Gewichtsverlagerung brachte das Mofa ins Schlenkern, und Teresa musste über den Straßenrand ausweichen, wo sie auf dem überfrorenen Gras ausrutschte. Sie konnte den Sturz nur vermeiden, indem sie in den Straßengraben sprang.
Das Mofa beschleunigte und fuhr auf der Straße davon, Jennys fast weißblondes Haar flog hinter ihr her, markant wie der Spiegel eines fliehenden Rehs. Teresa stand mit den Händen auf den Knien im Straßengraben und keuchte. Sie fühlte sich,als müsste sie gleich sterben. Ihre Luftröhre war zusammengeschnürt, ihre Lungen taten überall weh, und sie schämte sich, schämte sich, schämte sich.
Nachdem sie sich ein paar Minuten lang erholt hatte, ging sie denselben Weg zurück, den sie gekommen war. Als sie im Flur saß und sich die Turnschuhe auszog, kam Göran die Treppe vom Obergeschoss herunter.
»Hallo, Schatz. Was hast du gemacht?«
»Nichts.«
»Du bist gejoggt, oder?«
»Nein.«
Teresa ging an ihm vorbei in die Küche, wo sie drei Zimtschnecken aus dem Gefrierfach holte und in die Mikrowelle legte. Göran lehnte sich gegen den Türrahmen. Er räusperte sich ein paar Mal, als wollte er erst Anlauf nehmen, bevor er fragte: »Wie geht es dir?«
Teresa starrte auf die Schnecken, die sich langsam im Mikrowellenherd drehten. »Gut.«
»Dir geht es gut? Für mich sieht es aber nicht so aus, als würde es dir richtig gut gehen.«
»Ach. Mir geht es aber trotzdem gut.«
Teresa machte sich ein Glas Kakao, und als die Mikrowelle klingelte, nahm sie die drei Schnecken heraus, legte sie auf einen Teller und drängte sich an Göran vorbei ins Wohnzimmer, wo sie das Glas und den Teller auf den Couchtisch stellte und den Fernseher anschaltete. Discovery Channel zeigte einen Dokumentarfilm über Elefanten.
Göran kam und setzte sich neben sie. Nachdem er seinen Chefposten abgegeben hatte und wieder als normaler Verkäufer arbeitete, waren die dunklen Ringe unter seinen Augen verblasst, und er hatte wieder mehr Zeit für seine Rolle als Vater. Das Problem war nur, dass inzwischen
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