Wolfskrieger: Roman (German Edition)
konnte die feuchte Asche allerdings immer noch im Regen riechen. Außerdem nahm er einen anderen Geruch wahr – eine säuerliche Ausdünstung von der Wunde des Wolfsmannes. Vali wollte wegschieben, was dies auslöste. In ihm schien ein Knurren zu entstehen, gegen dessen Bedeutung er sich lange wehrte. Ein Ruf nach Blut. Blut. Der Geschmack und der Geruch hatten ihn seit der Schiffsreise nicht mehr losgelassen. Er konnte den Drang nicht abschütteln.
Als die Sonne hinter einem großen schroffen Gipfel unterging und einige letzte lange Strahlen über den Himmel schickte, stießen sie auf die Überreste des Lagers. Niemand war in der Nähe, doch die Erde war plattgetrampelt, und sie fanden die kalte Asche eines Feuers und die Gerüche der Felle im Gras, wo die Menschen geschlafen hatten.
»Sie sind ins Landesinnere gegangen«, meinte Feileg.
Vali nickte. Er wusste es bereits. »Wir folgen ihnen«, entschied er und spuckte aus. Schon den ganzen Tag hatte er einen starken Speichelfluss.
Der Wolfsmann hielt den Prinzen für besessen, betrachtete ihn mit angsterfüllten Augen und gehorchte wortlos.
Das Unwetter war vorbei, und als sie die Rentierjäger einholten, ging die Sonne wieder auf. Ein neues Feuer und der verlockende Geruch von bratendem Fleisch hatten ihnen den Weg gewiesen.
Eine einzelne Familie saß vor zwei gedrungenen spitzen Zelten aus Birkenstangen und Rentierfellen. Oben, wo die Stangen sich trafen, waren die Zelte offen, und in einem brannte das kleine Feuer, das Vali und Feileg angelockt hatte. Ihre unmittelbare Sorge galt jedoch den beiden Männern, die sich ihnen ein Stück vor dem Lager in den Weg stellten. Sie waren mit seltsamen kleinen Bogen bewaffnet und hatten vor sich Pfeile in die Erde gesteckt, wo sie sie leicht erreichen konnten.
Vali rauschte das Blut in den Ohren, er war zum Kampf bereit und schärfte sich zugleich ein, dass es nicht notwendig war. Irgendwie hatte sich seine Aufmerksamkeit verlagert, und sein erster Gedanke war Mord. Er spürte eine tastende Hand – Feileg zog ihm das Schwert aus der Scheide und warf es zu den Bogenschützen hinüber. Dann setzte er sich auf den Boden. Vali wechselte einen Blick mit ihm. Der Wolfsmann war verwundet, doch bisher hatte er auf Fremde immer nur mit unbändiger Wut reagiert. Jetzt benahm er sich, wie Vali selbst hätte handeln sollen, hätte er nur seine Gedanken besser beherrschen können. Vali erinnerte sich an den Überfall auf das Kloster. Hatte er nicht auch einmal so eine Geste gemacht? Er versuchte, sich zu erinnern und einen Anker zu werfen, der ihm in der Woge der Feindseligkeit, die ihn mitzureißen drohte, einen Halt geben konnte.
Die Jäger, die dunkelblaue Mäntel mit roten Borten und goldenen Bändern trugen, winkten freundlich und kamen den Brüdern entgegen. Sie waren ein interessantes Volk, dachte Vali: dunkle Haare und blaue Augen wie seine eigenen. Sie lächelten einander an, und die Jäger sagten etwas in einer fremden Sprache und setzten sich ihnen gegenüber hin. Vali verstand kein Wort.
Mit schwachen Fingern öffnete der Wolfsmann seinen Packen und bot den Jägern einen Weinschlauch an. Sie tranken dankbar. Es war derselbe Schlauch, aus dem auch Vali gekostet hatte. Er war der Ansicht gewesen, der Wein sei verdorben, doch die Jäger schienen ihn zu mögen. Einer deutete auf Feilegs Wunde und dann zum Lager. Vali stand auf und folgte ihnen, bis er bemerkte, dass Feileg sich kaum noch rühren konnte. Die nächtliche Wanderung hatte ihn den Rest seiner Kräfte gekostet. So schwach hatte der Prinz den Wolfsmann noch nie gesehen. Er wusste, was geschehen war – die Wunde hatte sich entzündet. Feileg hatte nicht mehr lange zu leben.
Vali dachte an seine Vergangenheit, an den Jungen, der auf Gabelbarts Gehöften aufgewachsen war, an den jungen Mann, der Adisla geliebt und geschworen hatte, für sie zu sterben. Das schmutzige Wasser des Sumpfs war jedoch immer noch in ihm, und er hatte Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen. Endlich fiel ihm ein, dass er Feileg beim Aufstehen helfen sollte. Er bückte sich, legte sich den Arm des Wolfsmanns über die Schultern und zog ihn hoch. Diese menschliche Geste weckte den alten Vali, und seine Gedanken klärten sich ein wenig. Dies waren die Walmenschen oder ihre Verwandten aus dem Inneren des Landes, die von den Rentieren lebten. Hemming hatte gesagt, Haarik habe die Absicht, Adisla gegen seinen Sohn einzutauschen. Vielleicht wussten sie, wo dieser Domen steckte, den Bodvar
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