Wolfskrieger: Roman (German Edition)
zu etwas, das ich nicht bin, aber wie kann das sein? Ich bin doch nun einmal das, was ich bin, also kann ich auch zulassen, dass ich mich in mich selbst verwandle. Außerdem habe ich mehr als nur eine Seite. Ich bin heil und gebrochen, ich bin … er hatte Schwierigkeiten, ein Wort zu finden, das seinen Zustand beschrieb. Dann fiel es ihm ein: hungrig. Ja, er war hungrig, aber nicht auf irgendetwas, das ihm ein Kochtopf bieten konnte.
Er blickte ins Zelt. Feileg konnte nicht weitergehen. Er selbst dagegen wollte sofort wieder aufbrechen und Adisla suchen. Seine Liebe für sie schien immer wichtiger zu werden. Es war wie ein Licht, das ein Reisender, der sich verirrt hat, durch den Regen sieht. Ein Hinweis, der ihn sicher leiten würde. Er sah ihr Gesicht vor sich, als sie ihn zum Abschied geküsst hatte – voller Angst und besorgt, aber auch voller Liebe für ihn.
Vali winkte dem Mann mit dem viereckigen Hut. Die Erinnerung an Adisla half ihm, seine störrischen Gedanken auf das zu richten, was notwendig war.
Der Mann kam zu Vali herüber. Ohne eine gemeinsame Sprache war es jedoch schwer, sich zu verständigen.
»Haariks Sohn?«, fragte Vali. Er kratzte den Umriss eines Schiffs in den Lehm und deutete an, dass es Schiffbruch erlitt, indem er die Faust in die andere Handfläche schlug. Dann malte er eine Krone und tat so, als wollte er sie stehlen.
»Domen«, sagte er. »Wo ist Domen?«
Der Mann lächelte ihn an und machte mit beiden Händen eine beruhigende Geste. Dann drehte er sich um, zauste einem Kind die Haare, küsste die Frau, die den Eintopf gebracht hatte, und entfernte sich über die Ebene in Richtung der fernen Berge. Vali fühlte sich hilflos. Er saß vor dem Zelt, die Familie der Rentierjäger beobachtete ihn schweigend.
Er verlor die Konzentration und existierte einfach unter dem wechselnden Licht und den ziehenden Wolken. Vali wusste nicht, wie lange er dort gesessen hatte, als ihm schließlich jemand eine Hand auf die Schulter legte.
»Kein Tribut.« Der Mann sprach gebrochen Norwegisch.
Er war zurückgekehrt und hatte jemanden mitgebracht, der genau wie er selbst mit einem dunklen Wollhemd und einem Hut mir vier Ecken bekleidet war. Sie brachten ein angeleintes Rentier mit. Die Nervosität des Tiers ging auf Vali über; er schmeckte dessen Angst.
Statt eines Bogens hatte der Neuankömmling eine breite flache Trommel in den Händen. Vali erschrak. Die Trommel war genau wie jene in seinem Traum auf dem Boot, als er Adisla im Kreis der eigenartigen maskieren Gestalten gesehen hatte. Diese Trommel war jedoch nicht mit der abgewinkelten kleinen Rune geschmückt, die in seiner Vision aus den Trommelfellen gefallen war, sondern mit Szenen, die Jäger und Fischer zeigten.
»Kein Tribut«, wiederholte der Mann.
»Kein Tribut«, erwiderte Vali. »Ich suche eine Vermisste, keine Felle und kein Gold.«
Der Mann lächelte, und nun erkannte Vali, dass er zwei zusätzliche Zähne im Oberkiefer hatte. Ihm war bekannt, dass die Walmenschen auf diese Weise ihre heiligen Männer bestimmten – sie hatten immer körperliche Eigenarten wie verdorrte Gliedmaßen oder seltsam gefärbte Augen. Das hatte Veles Libor ihm erzählt. Ihm wurde fast übel, als er an den Händler dachte.
»Domen?«
Der heilige Mann sah ihn fragend an.
»Domen. Trommeln.« Vali deutete auf die Trommel. »Domen. «
»Vagoy?«, fragte der heilige Mann.
»Domen.«
Der heilige Mann schüttelte den Kopf und deutete zum Zelt, wo Feileg lag. Dann ritzte er einen Kreis und eine wacklige Linie in den Lehm. Vali verstand es nicht. Der Mann hob einen Stein auf, kratzte ein kleines Loch in die Erde, legte den Stein hinein und goss aus einem Behälter etwas Wasser auf den Stein.
»Vagoy.« Er deutete auf den Stein. Dann heulte er, verspritzte Wasser und tat so, als wollte er die Trommel schlagen.
Auf einmal erkannte Vali es – der Mann zeigte ihm eine Insel. Eine Insel voller Wölfe, auf der die Trommel gerührt wurde.
»Domen?« Vali deutete auf den Stein.
»Ah! Dooooerrrrmaaaaan!«, sagte der Mann. Vali hatte offenbar den Namen falsch ausgesprochen.
»Ja, Domen.«
Der Mann nickte.
»Jabbmeaaakka«, sagte er und deutete zum Zelt, schüttelte die Plane, die den Eingang bedeckte, und sagte langsam: »Hel. Göttin. Kämpfen.« Er knurrte und machte eine Geste, als wollte er etwas packen.
Vali deutete hierhin und dorthin: In welche Richtung muss ich gehen?
Der heilige Mann deutete nach Osten und schwenkte mehrmals den Arm auf und ab,
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