Wolfskrieger: Roman (German Edition)
Bjarki erwähnt hatte.
Im Lager winkten die Männer den Brüdern, sich in ein Zelt zu setzen. Dort hielt sich bereits eine junge Frau auf, die ein kleines Kind auf den Armen wiegte. Sie betrachtete die Neuankömmlinge vorsichtig, deutete aber auf einige Felle, auf die Feileg sich legen sollte. Vali ließ den Wolfsmann hinuntergleiten und ging hinaus. Das Innere des Zelts kam ihm unerträglich stickig vor, er musste draußen unter der Sonne sein.
Feileg lag schwer atmend auf den Rentierfellen. Das Marschtempo, das Vali vorgelegt hatte, hätte ihn beinahe umgebracht. Der Wolfsmann war überzeugt, dass der Prinz in den Bann irgendeiner Art von Hexerei geraten war, was aber seiner Entschlossenheit, ihm zu folgen, keinen Abbruch tat. Irgendetwas war in Feileg in Bewegung geraten, als er mit Adisla gesprochen hatte, und nun war er fest entschlossen, sie zu finden, koste es, was es wolle. Er atmete die Düfte des Zelts ein: gekochtes Essen und Quark aus Ziegenkäse, Rentierfelle und der Rauch des Birkenholzes. Feileg fand das alles sehr behaglich und erinnerte sich an die Abende, an denen er mit seinen Brüdern und Schwestern im Zwielicht gesessen und Geschichten über Abenteuer und Ruhm gehört hatte. Damals hatte er noch keine Ahnung gehabt, dass er sich von ihnen unterschied und später unter Wölfen leben sollte. Feileg hatte seit Jahren nicht mehr das Bedürfnis verspürt, ein Haus zu betreten, doch nun war er zufrieden. Jetzt war es Vali, der draußen saß, den Kopf hängen ließ und seine Füße anstarrte.Ein Mann kam herein. Er war kleiner als die anderen und trug einen Hut mit vier Ecken, der aussah, als hätte man ein Stück Tuch mehrmals gefaltet. Er nickte und lächelte zum Gruß, setzte sich und legte eine Hand auf das Wolfsfell, das Feileg trug. Der Wolfsmann fühlte sich nicht bedroht und erlaubte dem Mann, es wegzuziehen, damit dieser die Wunde untersuchen konnte. Er schüttelte den Kopf und fuhr mit den Fingern leicht darüber. Dann drehte er sich um und sagte etwas zu der Frau. Sie brachte Feileg in einer Schale etwas Eintopf, den er dankbar aß.
»Ruohtta«, sagte der Mann, deutete auf Feileg und tat so, als wollte er sich hinlegen. Dabei verdrehte er die Augen. Er wollte Feileg sagen, dass er sterben musste.
Feileg hatte den Tod nie gefürchtet. Bei seiner alten Familie hatte er gehört, der Tod sei ruhmvoll. Bei Kveldulf hatte er den Tod als etwas gesehen, das einfach geschah – eine Verwandlung oder ein etwas anderer Tag in einer langen Reihe von Tagen. Er würde gern in dem kleinen Zelt mit den heimeligen Gerüchen inmitten dieser freundlichen Fremden sterben, obwohl ihn der friedliche Ort, die Gesellschaft der Kinder und Frauen, das Lächeln des Mannes mit dem viereckigen Hut, wünschen ließ, er könne weiterleben. Das war ein ganz neuer Wunsch. Ihm kamen die Worte »Ich bin ein Wolf« in den Sinn, doch welcher Wolf hätte jemals so etwas gedacht? Er war von seinen Brüdern im Wald getrennt, obwohl er zwischen ihnen aufgewachsen war. Der Mann mit dem Hut stand auf und ging.
Draußen bot jemand auch Vali von dem Eintopf an. Der Prinz aß etwas und trank von der gegorenen Milch, die sie ihm gaben. Er konnte das Essen kaum verdauen und nahm es nur aus Höflichkeit an. Der Frau, die ihm den Eintopf brachte, schenkte er ein Lächeln, doch tat er dies eher für sich selbst als für sie. Solche Höflichkeiten und Rituale schienen ihm auf einmal ungeheuer wichtig zu sein. Er brauchte eine Verbindung zum Alltäglichen, zu den Menschen, damit er nicht – was denn eigentlich? Er wusste es nicht, doch er hatte Angst vor dem Gefühl, das in ihm wuchs und ihn zwischen Übelkeit und Begeisterung schwanken ließ. Es war beinahe, als sollte er aus seinem eigenen Kopf verbannt werden. Immerhin erkannte Vali, dass er drauf und dran war, etwas Wertvolles zu verlieren.
Alles fühlte sich anders an. Zuvor hatte er die neuen Eindrücke mit einem leichten Rausch verglichen, der sich jetzt deutlich verstärkte. Gleichzeitig fühlte er sich frei und gelöst und war sicher, eine neue Art von Bewusstsein zu erleben. Er hatte auch ein wenig Angst, die mit einem eigenartigen Entzücken einherging, einer Art innerlichem Kichern und den Worten: »Mach nur weiter, gib dich dem Gefühl hin. Lass dein altes Ich los und verändere dich.« Er hatte keine Ahnung, wohin das alles führen würde und was mit ihm geschah, wusste aber instinktiv, dass er dagegen ankämpfen musste. Wirre Gedanken schossen ihm durch den Kopf: Ich werde
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