Wolfskrieger: Roman (German Edition)
eigenen Trommeln hervor und stimmten ein, während sie hinaufstiegen. Oben stand Feileg auf einer ebenen Fläche fünfzig Männern in Tiermasken gegenüber. Alle trommelten, kreischten, bellten und röhrten. Das Schauspiel lähmte ihn.
Dann, wie auf Kommando, setzte eine tiefe Stille ein, und ein kleiner Mann mit einer Wolfsmaske trat vor. Er war zerbrechlich und näherte sich Feileg offenbar unter Schmerzen, blickte ihm ins Gesicht und wandte sich an seine Brüder, um ihnen in einer seltsamen Sprache etwas mitzuteilen.
Das Trommeln setzte wieder ein, und Feileg sah sich von mehreren Leuten gepackt. Sie hielten ihm Talismane und Bilder vor das Gesicht, bespritzten ihn mit Wasser und schleppten ihn endlich quer über die Insel. Er wehrte sich, kratzte und schlug einige Männer nieder, doch letzten Endes waren es zu viele. Sie stießen, knufften, drängten und prügelten ihn weiter, holten Seile und wickelten ihn ein, und als er die Fesseln abschüttelte, waren schon wieder neue bereit. Das Trommeln schien ihm die Kräfte zu rauben, und schließlich konnte er sich nicht mehr rühren. Die Trommelschläge waren in seinen Kopf eingedrungen und nahmen ihm jede Antriebskraft.
Sie schleppten ihn in eine Höhle, ein klaffendes Maul, das den Hügel in den Schlund eines hässlichen Ungeheuers zu verwandeln schien. Im tanzenden Licht von Laternen, während die langen Schatten wie Spinnenbeine herankrochen, als wollten sie ihn genau untersuchen, zerrten die Männer ihn abwärts in die Dunkelheit. Dort, wo sich der Abgrund auftat, trat der Mann mit der Wolfsmaske vor. In einer Hand hielt er eine Fackel, in der anderen ein glänzendes eisernes Messer.
»Herr«, sagte er auf Norwegisch. Er neigte den Kopf und drehte Feileg herum, damit dieser die Finsternis vor sich hatte.
Feileg sträubte sich und wollte ihn schlagen, doch der Körper gehorchte ihm nicht. Er stürzte ins Dunkle, prallte schwer auf den Boden und blieb einige Atemzüge lang benommen liegen. Als er wieder zu sich kam, hörte er jemanden keuchen, der offenbar voller Panik nach Luft schnappte und sich zugleich bemühte, keinen Lärm zu machen.
»Wer ist da?«
»Herrin?«, sagte Feileg.
Er hörte einen kleinen Schrei und war sicher, dass er Adisla gefunden hatte, auch wenn ihre Stimme, während sie schluchzte, kaum zu erkennen war.
»Bist du es? Weißt du noch, dass ich geschworen habe, dich zu beschützen? Bist du es wirklich, Adisla?«
»Ja, ich bin es.«
»Herrin«, sagte er, und sie kam zu ihm, umarmte ihn und sprach seinen Namen aus.
Oben hörte das Trommeln auf.
Lieaibolmmai wandte sich an seine Brüder. Seine Stimme war schwach und dennoch voller Entschlossenheit. »Wir haben ihn jetzt entfesselt, und der Geist wird ihn finden. Der Hunger soll den Wolf heraustreiben, damit er tut, was er tun muss, um den Gott willkommen zu heißen.«
Die Tierschreie und das Heulen setzten wieder ein, allerdings in einer höheren Tonlage.
Adisla drückte Feileg in der Dunkelheit an sich. »Wirst du mich töten?«
»Ich werde für dich sterben.« Feileg löste die Fesseln um seine Fußgelenke.
Droben setzte sich Lieaibolmmai nieder und zog seine Trommel hervor. Vor zwei Monaten hatte er mit dem letzten Schritt seiner Wolfsbeschwörung begonnen. Der Zauberer schwitzte stark. Seine Magie war Tag für Tag stärker geworden, seit er mit Jabbmeaaakka, der Göttin der Unterwelt, gekämpft hatte, doch er war immer noch nicht sicher, ob der Wolf auch wirklich kommen würde. Es hatte Jahre gedauert, die richtige Magie zu entwickeln, die ihn rufen würde, Jahre mühsamer Arbeit. Dann hatte er der Göttin etwas entrissen, eine helle glänzende Rune, die geschmeidig war und wuchs wie ein junger Baum. Er hatte in seinen Gesängen an die Rune gedacht und gespürt, wie sich der Wolf in seine Richtung bewegte. Vor zwei Wochen hatte sich jedoch etwas verändert, und er hatte die Verbindung verloren. Jedenfalls hatte er dies angenommen. Nun war der Wolf eingetroffen. Er war genau so, wie er ihn an jenem ersten Tag im Sumpf erblickt hatte, das Gesicht entsprach dem Gesicht in seiner Vision. Nun konnte der Zauberer mit der Verwandlung beginnen.
Es würde noch einmal einen Monat dauern, vielleicht sogar länger, um es zu vollbringen, doch Lieaibolmmai war bereit, sich in Geduld zu üben. Er hatte Anweisungen an sein ganzes Volk geschickt und jeden Mann, der über genügend Wissen verfügte, ob er Wale jagte oder Rentieren auflauerte, herbeigerufen. Jetzt würde er die Belohnung für
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