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Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Titel: Wolfskrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. D. Lachlan
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den Steinen auf dem Boden der Höhle und rollte sie gegeneinander, wie er es als Kind getan hatte. Mit unendlicher Geduld saß er da und sah dem fallenden Schnee zu, wie eine Frau auf die Rückkehr des Jägers wartet. Er stellte sich den Mann vor, den er im Tal überrascht hatte, sah die zitternden Hände, die einen Pfeil auf die Bogensehne zu legen suchten. Die Erinnerung an die Angst des Bogenschützen war köstlich und angenehm wie der Duft von frisch gebackenem Brot.
    Wenn Vali schlief, träumte er oft von Adisla, aber auch von dem Wolf. Er war gefesselt, quälend eng gefesselt. Die Seile schnitten tief ein, und das schreckliche Schwert hielt sein Maul offen. Vali hatte einen dieser seltsamen Eindrücke, die nur im Traum verständlich sind und im Morgenlicht blitzschnell verschwinden. Er träumte vom Wolf, so viel war ihm klar, doch es schien ihm auch, als träumte der Wolf zugleich von ihm, oder als träumte der Wolf ihn und sein ganzes Leben. Irgendwie existierte er nur noch im Bewusstsein des Gottes, und die Grenzen zwischen ihm und dem Wolf verschwammen und vergingen angesichts ihrer gemeinsamen, geteilten Qualen. Die Beschränkungen des Wolfs waren seine eigenen, er fühlte sich erdrückt, gebunden und angespannt, als könnte er jederzeit ausbrechen und Freiheit und Zufriedenheit finden. Als er wach wurde, waren seine Gliedmaßen länger und die Zähne größer.
    Wie lange hatte er in der Höhle gelegen? Wochen? Oder Monate? Es war kalt, als sich sein Geist in der kurzen Spanne zwischen gierigem Hunger und benommener Sättigung endlich klärte. Es war, als seien seine Gedanken frei, sobald die Gier befriedigt war.
    Er ging nach draußen und sah sich um. Es schneite, schwere Wolken hingen am Himmel, die Dämmerung setzte allmählich ein. Die Luft war voller Gerüche. In den Bergen hinter ihm zog ein Bär umher, der sich viel zu spät einen Platz für den Winterschlaf suchte. Unten in der Ebene versammelten sich die Menschen. In der Ferne wogte das purpurne, blaue Meer, aus dem sich eine Insel erhob. Viele Männer zogen zu ihr hin. Er konnte sie riechen, wie sie verschwitzt und schmutzig über die Ebene wanderten. Sie hatten Rentiere dabei, ein oder zwei Wallache, deren Urin und Kot kaum stanken.
    Stimmen drangen durch die unbewegte Luft zu ihm. Er lauschte. Drei ferne Herzschläge: ein Tier und zwei Menschen. Dann sah er sie: einen Mann und einen Jungen, die mit einem Rentierschlitten fuhren. Sie hatten einen Stapel Vorräte aufgeladen und besaßen eine flache Trommel.
    Sie blickten zur Höhle herauf, bemerkten ihn aber nicht. Offensichtlich überlegten sie, ob sie in der Höhle über Nacht rasten sollten, weil der Schneefall stärker wurde. Sie stritten sich über etwas, einer deutete auf den Weg, der andere zur Höhle. Vali konnte erkennen, dass die beiden eilig irgendein Ziel erreichen wollten und sich fragten, ob sie es im aufziehenden Unwetter bis Einbruch der Dunkelheit schaffen würden. Der Mann streckte die Hand aus und fing die Schneeflocken auf. Dann schüttelte er den Kopf, und die Reisenden stiegen den Abhang herauf.
    Vali zog sich tief in die Höhle zurück. Speichel sammelte sich in seinem Mund, und seine Gliedmaßen waren bereit zum Zuschlagen. Am Eingang der Höhle blieben die beiden Fremden stehen. Ein Stein flog herein, dann noch einer. Sie wollten wohl wilde Tiere vertreiben. Er hörte, wie sie miteinander redeten. Als er aus seinem Versteck im Schatten herauslugte, untersuchten sie etwas auf dem Boden. Der Mann zerrieb es zwischen den Fingern und sah den Jungen an. Dann zuckte er mit den Achseln und stand auf. Vali erkannte nun, dass er mit einem Speer bewaffnet war. Der Mann spähte angestrengt in die Höhle, hob einen weiteren Stein auf und warf ihn hinein, ohne Vali zu treffen.
    Auf einmal war ein Brüllen zu hören. Valis Herz raste, er spannte alle Muskeln an, ihm wurde schwindlig. Der Junge sprang erschrocken zurück, doch der Mann lachte nur. Er hatte einen Bären nachgeahmt. Der Scherz schien sie beide zu beruhigen, und sie machten sich daran, ein Feuer aufzuschichten und das Rentier zu holen. Das Tier wollte nicht hereinkommen, und schließlich gab der Junge auf und band es am Eingang der Höhle fest.
    Der Geruch des Feuers beruhigte Vali und übte eine viel tiefere Wirkung auf ihn aus als jeder andere Geruch, den er kannte. Der Rauch war anders als bei allen anderen Feuern, die er je gesehen hatte. Unverkennbar, dass ihr Feuerholz von einem besonders starken Baum stammte, der

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