Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Titel: Wolfskrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. D. Lachlan
Vom Netzwerk:
sich aus einem unterirdischen Strom nährte. Sie hatten ihn nicht gefällt, sondern nur ein paar Zweige genommen.
    Vali dachte an Adisla. Die Erinnerungen an sie waren inzwischen alles, was ihn davon abhielt, sich völlig dem Tier in ihm zu unterwerfen. Wenn es ihm gelang, sie zu finden, würde er sich besser fühlen. Sicher, irgendetwas war mit ihm geschehen, irgendeine Krankheit. Vali wollte jedoch nicht geheilt werden, er wollte nicht zu dem zurückkehren, was er einst gewesen war. Er wollte nur wieder wohlauf sein und dieses schreckliche Gefühl loswerden, er befände sich am falschen Ort und sei in Fesseln gelegt. Seine Liebe war wie Hunger, schneidend und selbstsüchtig.
    Die Wanderer kochten etwas, doch ihre Körpergerüche fand Vali viel verlockender. Der Schweiß, der Speichel, die Absonderungen der Drüsen in den Haaren und auf der Haut, lauter zischelnde kleine Rufe, die zum Mord aufforderten. Dann überkam ihn eine starke Abscheu, und ihm wurde übel, weil er solche Gedanken gehegt hatte.
    Große Müdigkeit erfüllte die Wanderer; ihr Feuer war warm. Sie schliefen, noch in die Felle gehüllt, im Sitzen ein. Leise schlich Vali wieder nach vorn und stellte überrascht fest, wie klein sie waren. Licht, das auf Schnee fällt, lässt die Größenordnungen verschwimmen, und aus der Ferne hatte Vali ihre Größe nicht richtig einschätzen können. Die Männer waren klein wie Zwerge, als wären sie geradewegs einer Kindergeschichte entsprungen. Aufrecht stehend hätte der Mann Vali kaum bis zur Hüfte gereicht, der Junge war noch kleiner. Das Rentier nörgelte inzwischen. Auch das Tier war winzig – mit breitem Geweih, voll ausgewachsen und alt, aber viel kleiner als jedes andere erwachsene Tier, das er bisher gesehen hatte. Außerdem war der Eingang der Höhle geschrumpft. Als Vali gekommen war, hatte er die Decke nicht berühren können, jetzt musste er sich beinahe bücken, um aufrecht zu stehen. Da war irgendeine seltsame Magie im Spiel.
    Vali setzte sich an das Feuer und wärmte sich. Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er dachte an Disa, an das Feuer in ihrem Herd, an die Winterabende, an denen Adisla neben ihm gesessen hatte, an Blut, an den Geschmack und die Lust des Tötens, er dachte an Bragi, wie dieser ihn auf dem Langschiff am Arm gefasst und ihm gesagt hatte, es werde alles gut; er dachte an die blutigen Toten, die Hinterlassenschaft seiner Wut.
    Als er die schlafenden Männer betrachtete, erwachte in ihm der Drang, sie zu töten. Doch irgendetwas hielt ihn zurück. Es war, als stellte sich der Geist seines alten Selbst seinem neuen Wesen in den Weg und zerrte ihn fort vom Unausweichlichen. Das Feuer roch angenehm und war warm, und er legte sich nieder. Er schlief und träumte, er sei wieder er selbst, ein Mann, der eine Frau liebte und glaubte, das sei genug.
    Er hörte einen Ruf. Es war hell. Einer der winzigen Männer brüllte, der andere hob den Speer. Ihre Bewegungen kamen Vali sehr langsam und schwerfällig vor. Der Mann warf den Speer, Vali wich einfach mit einem Schritt zur Seite aus.
    Der Geruch ihrer Angst überkam ihn und drängte ihn anzugreifen, doch er widerstand dem Impuls. Der Traum von seinem früheren Leben war noch gegenwärtig, und dieser Mann konnte er immer noch sein. Er versuchte zu sprechen und ihnen zu erklären, dass sie keine Angst haben sollten, erschrak dabei aber selbst. Ein tiefes Grollen, das so klang wie der Donner in den Bergen, erfüllte die Höhle. Er knurrte sie an, anders konnte er es nicht nennen.
    Der Junge hockte sich auf Hände und Knie und versuchte, an Vali vorbeizukriechen. Der Mann hatte einen Stein aufgehoben und warf damit nach Vali.
    »Töte hundert von ihnen für mich.« Unbeholfene Worte, doch irgendwie konnte er sich erinnern, was Adisla mit ihnen gemeint hatte: »Kehre heim und lebe wieder mit mir.« Die Erinnerungen erstickten seine Wut, und er war wie gelähmt. Der Junge war inzwischen an ihm vorbei und kreischte, der Mann solle seinem Beispiel folgen. Das tat er auch und schlüpfte unter Vali hindurch zu dem panischen Rentier.
    Der Mann ließ das Tier frei und rannte los. In ihrer Eile stürzten sie beinahe den Abhang hinunter. Vali ging zum Eingang der Höhle, setzte sich schwer atmend hin und sah ihnen nach, wie sie mit wehenden Mänteln über die Ebene zum Strand liefen. Es schneite nicht mehr, doch es war schwer, in der Ferne etwas zu erkennen.
    Vali war erschüttert. Den überwältigenden Drang, sie zu töten, hatte er bezwungen. Er

Weitere Kostenlose Bücher