Wolfskrieger: Roman (German Edition)
eine Warnung?
Darüber dachte er auf der Reise nach Süden zur Trollwand nach, während er das Zelt aufbaute, ein Feuer anzündete und Adisla die Tiere brachte, die er für sie gefangen und getötet hatte. Der Wolf ist der König des Winters, und Feileg war beinahe glücklich, sobald er mit seiner Beute zurückkehrte und Adisla sie kochen ließ, statt das Fleisch roh zu essen, wie es seine Gewohnheit war. Es war das Leben, auf das er einen Blick erhascht hatte, als er sie nach seiner Befreiung von den Fesseln geküsst hatte.
Adisla jedoch war in sich gekehrt, die Tränen waren einem bedrückten Schweigen gewichen. Sie war überzeugt, dass sie die Schuld an Valis Zustand trug. Logisch waren diese Gedanken nicht, doch sie konnte die Befürchtung nicht abschütteln, dass ihre Verbindung mit jemandem, der so weit über ihr stand, und außerdem das, was sie ihrer Mutter angetan hatte, sogar ihre Kapitulation und Einwilligung, Drengi zu heiraten, all das verursacht hatten, was ihm geschehen war. Sie war als Tochter einer Heilerin mit einem starken Glauben an die Magie aufgewachsen und hatte sogar ein wenig von der Kunst der Weissagung gelernt. Ihrer Ansicht nach waren alle Dinge miteinander verbunden. Ihre Mutter hatte ihr erklärt, die Menschen stünden am Rande eines Ozeans voller Ereignisse, der unsichtbare Inseln und Gestade umspült. Sie hatte zugelassen, dass sich zwischen ihr und Vali etwas Schlechtes entwickelt hatte. Nun war in ihm etwas noch viel Schrecklicheres herangewachsen.
Doch als sie am Feuer lagerten und Feileg ihr die erstaunlichen Ereignisse seiner Kindheit schilderte, keimte aus der Hoffnungslosigkeit, was ihre Beziehung mit Vali anging, ein Fünkchen Hoffnung auf eine Zukunft mit Feileg. Nach und nach stellte sie fest, dass sie mit ihm reden konnte. Sie erzählte von ihrer Jugend mit Vali, dann nur noch von sich selbst und ihrem Leben mit ihrem Brüdern und vor allem mit ihrer Mutter. Der Wolfsmann hörte zu, ohne sie zu unterbrechen, und als sie ihm erzählte, was sie Disa angetan hatte, schwieg er eine ganze Weile, ehe er sagte: »Ich wünschte, ich hätte eine solche Liebe kennengelernt.«
»Um sie zu töten?«
»Um sie zu retten«, berichtigte er sie. »Sie war dem Tod geweiht und wusste es. Besser, es geschieht rasch und durch die Hand der Tochter, als nach den Qualen, die ihr die Dänen zugemutet hätten. Sie hat das Werkzeug ihres Todes selbst gewählt – dich, die Tochter, die sie liebte. Dich trifft keine größere Schuld, als wenn sie das Messer selbst geführt hätte.«
»Ich wünschte, ich könnte das glauben.«
»Meinst du denn, deine Mutter hätte gewollt, dass du jetzt solchen Kummer empfindest?«
»Nein.«
»Was hätte sie sonst gewollt?«
Adisla blickte zu den am Nachthimmel ziehenden Wolken hoch. »Sie hätte gewollt, dass ich mein Leben lebe, einen guten Mann finde und tapfere Söhne zur Welt bringe.«
Feileg lächelte. »Dann mach das zu deinem Ziel«, sagte er.
Schon lange sah sie Feileg nicht mehr als Wolf an. Der Schamane hatte ihm mit all seinen Gesängen und Gebräuen nicht die Menschlichkeit nehmen können. Feileg war einfach nur ein Mann, der in der Wildnis aufgewachsen war und sich davon befreit hatte. Sie war sicher, er würde einen guten Gatten abgeben, und sie wäre stolz gewesen, seine Frau zu sein, hätten die Schicksalsgöttinnen sie früher zusammengeführt.
Die Tage waren kurz, als sie durch die Gebirgspässe wanderten, doch wenn der Mond hell genug schien, lief Feileg auch in der Nacht weiter.
»Weißt du überhaupt, wohin wir gehen müssen?«, fragte sie ihn.
»Nach Süden«, erklärte er. »Die Berge verlaufen wie ein Damm vom Meer zur Trollwand. Wir folgen der Küste, so gut es geht, und dann lassen wir uns von den Bergen zu unserem Ziel führen.«
Atemlos betrachtete Adisla die Schönheit des Winters im Norden, die kahlen Hügel und die blendend weißen Ebenen. Allerdings fand sie das Land öde und bedrohlich, wenn sie es mit ihrer milderen Heimat an der Küste verglich. Sie holperten über den unebenen Grund, doch wenigstens hatte sie es auf dem Schlitten unter den Decken warm und konnte sogar schlummern.
Als sie einige Wochen gereist waren, lag der Schnee hoch; in der Ferne erhoben sich schwarze Abhänge. Aus der Nähe erkannte sie die Trollberge. Wie gigantische Wellen aus einem gefrorenen Meer stiegen die Gebirgsketten auf. So einschüchternd sie auch wirkten, der Weg zu ihnen war leicht, denn der Boden war fest gefroren, und die Flüsse
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