Wolfskrieger: Roman (German Edition)
erheben können, aber sicher nicht gegen das, was der Berserker ausdrücken wollte. Überall auf der Insel lagen Tote.
»Hier hatte der Gott Odin seine helle Freude«, sagte Bjarki. Er hatte die Wolfsmaske aufgesetzt und wirkte damit etwas lächerlich, weil sie nur bis knapp unter die Lippen reichte.
»So ist es«, stimmte Veles zu. Er sah sich um und war froh, dass er dem Berserker die Maske überlassen hatte. Wer die Menschen auch getötet hatte, er schien Männer zu bevorzugen, die Tiermasken trugen. Es waren etwa dreißig Leichen, oder vielmehr das, was die Vögel übrig gelassen hatten. Hier ragte eine Wolfsschnauze hervor, dort ein großer Schnabel. Direkt vor ihm lagen die Löffel eines Schneehasen. Veles konnte sich leicht zusammenreimen, was hier geschehen war. Die Mäntel und Trommeln waren von Menschen weggeworfen worden, die sich auf der überstürzten Flucht durch nichts behindern lassen wollten.
Er versetzte einer Maske einen Tritt. Drinnen steckte noch ein Kopf.
»Anscheinend ist uns jemand zuvorgekommen«, überlegte Bjarki. »Sie haben aber genug Pelze hiergelassen. Zweifellos war ihr Schiff mit Gold überladen.«
Er war besser als Veles an solche Bilder gewöhnt und ging zwischen den Toten umher, während der Händler langsam durchatmete und um seine Fassung rang. Besorgt sah er sich um. Er wollte sicher sein, dass derjenige, der dieses Blutbad veranstaltet hatte, die Insel verlassen hatte. Die Toten lagen noch nicht lange hier, die Raben fanden noch reichlich Aas. Einer pickte ganz in der Nähe an einer Leiche herum und beobachtete Veles, während der Tote seinerseits den Vogel durch die Augenschlitze einer Hirschmaske betrachtete. Veles gefiel das alles nicht. Er verscheuchte den Vogel. Wenn er am Lagerfeuer mit Kumpanen trank, war sein Glaube daran, dass keine übernatürlichen Kräfte existierten, viel stärker als an einem so wilden Ort.
Die Besatzung schwärmte auf der Insel aus und suchte nach Plündergut. Hin und wieder fanden sie einen Pelz, gelegentlich auch ein Messer, doch im Grunde waren die Opfer sehr arm gewesen. Vielleicht waren die Trommeln etwas wert, überlegte Veles. Er konnte sie ja wieder an ihr Volk verkaufen oder als Kuriositäten an den Höfen im Süden abstoßen.
»Hier ist dein Schatz!« Bjarki hatte sich weiter unten am Hang in Richtung zum offenen Meer entfernt.
Da Veles ihn im Moment nicht sehen konnte, marschierte er aufs Geratewohl in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Dieses Gemetzel musste eine Art massenhaftes Menschenopfer gewesen sein.
»Ein hübscher … Blöt, was?« Bjarkis Gedanken hatten sich offenbar in eine ähnliche Richtung bewegt. »Der alte König Hrutr hat mal zu Mittsommer neun Sklaven auf einen Schlag geopfert, aber das hier übertrifft ihn doch ein wenig.« Er deutete auf eine Höhle. »Da unten«, sagte er. »Schau nur.«
Veles spähte in die Dunkelheit, konnte aber nichts erkennen. Nun bekam er es doch mit der Angst und fragte sich, ob Bjarki ihn in die Höhle locken und töten wollte. Nein, der Berserker hätte keine Hemmungen, ihm am Markttag und bei vollem Tageslicht den Schädel einzuschlagen, falls es ihn überkäme. Hätte Bjarki ihn töten wollen, dann wäre er längst tot.
»Können wir hier nicht etwas Licht machen?«
Bodvar Bjarki nahm einem Toten eine Fackel ab und schien dabei so gleichmütig, als lebte der Mann noch und hätte sie ihm freiwillig überlassen. Veles schlug einen Feuerstein an, fachte ein paar Holzspäne aus seiner Gürteltasche an und entzündete mit ihnen die Fackel. Als sie brannte, gingen die Männer hinunter.
Schatten tanzten auf den Wänden, als sie in die Höhle eindrangen. Das Licht der Fackel war im Grunde eher die Abwesenheit von völliger Dunkelheit als ein strahlender Schein. Immerhin konnten sie erkennen, dass die Wände mit Runen bemalt waren.
»Kannst du das lesen?«, wollte Bodvar Bjarki wissen.
»Ein Schatz«, erklärte Veles, »und ein großes Vermögen.« Um Runen hatte er sich kaum gekümmert, er bevorzugte das lateinische Alphabet. Da er sie nur mit Mühe entziffern konnte, hoffte er, sie sagten tatsächlich das, was er behauptet hatte. Eher schienen sie aber das übliche Geschwätz über Geister und Götter zu enthalten.
»Wie konntest du hier etwas sehen?«, fragte Veles. Es war wirklich sehr dunkel.
»Dies ist offensichtlich eine Gruft«, erklärte Bjarki.
»Dann warst du noch gar nicht hier drinnen?«
»Ich habe nicht die Absicht, dich aus den Augen zu lassen, werter
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