Wolfskrieger: Roman (German Edition)
ängstigte ihn zugleich.
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Die Anklage
E inige Stimmen erhoben sich gegen Valis Hinrichtung. Arnhvatr berichtete, wie Vali die Verteidigung organisiert hatte. Hakir erwähnte, wie tapfer Vali gekämpft hatte. Doch Gabelbart hatte schlimme Anschuldigungen vorzubringen.
Zwei Tage, nachdem sie Vali aus dem Wasser geholt hatten, fand die Versammlung statt. Die Neuigkeit hatte rasch die Runde gemacht, und nur die Bewohner der entferntesten Höfe nahmen nicht daran teil. Es zog die Leute nach Eikund, weil sie vom Angriff der Dänen hören und den Spion sehen wollten, den Gabelbart gefangen hatte.
Der König sagte rundheraus, was er dachte, und ließ an seiner Ansicht keinen Zweifel. Zuerst einmal hatte Vali vom Überfall gewusst und die Angreifer während Gabelbarts Abwesenheit herbeigerufen. Zweitens hatte er Drengi getötet, weil er wegen Adisla eifersüchtig war. Dafür gab es sogar einen Zeugen, weil der kleine Loptr ihn mit der Axt in der Hand bei dem Toten beobachtet hatte. Außerdem hatte man gehört, wie er Drengi den Tod gewünscht hatte. Drittens hatte er sich, als die Feinde angegriffen hatten, mit einem Haufen Geschirr davonmachen wollen, was aber durch eben die Leute verhindert worden war, denen er zu helfen versucht hatte. Er hatte zwar die Berserker nach Eikund geholt, doch es war klar, dass sie ihn in ihrer Raserei nicht mehr erkannt hatten, und da er ihre Schwerter gefürchtet hatte, war er geflohen. Viertens hatte er sich im Schildwall geweigert, eine Waffe in die Hand zu nehmen und sogar einen Eindringling vor dem sicheren Tod bewahrt. Als deutlich wurde, dass seine Verbrechen ans Licht kommen würden, war er zum Totenteich geeilt, um mit Hilfe der Magie seine Haut zu retten. Außerdem, falls dies überhaupt noch nötig war, um ihn zu überführen, hatte sich der Verräter mit dem Dänen Barth angefreundet und sich bemüht, alles über die Sitten und Gebräuche seines Heimatlandes zu erfahren. Warum hätte er das tun sollen, wenn nicht, um sich mit den feindlichen Mächten einzulassen?
Vali konnte nicht sprechen. Nach den Qualen im Teich war sein Hals verkrampft und sein Verstand gelähmt. Er hatte aus dem Wasser etwas mitgenommen, einen Druck im Schädel, ein Gewicht, das seinen Kopf so schwer machte, dass der Körper ihn kaum noch tragen konnte. Er war nahe an etwas herangekommen, das in ihm selbst verborgen war, und hatte sich aus der normalen Welt gelöst.
Die Versammlung erlebte er wie im Traum, er konnte nicht einmal richtig begreifen, was dort überhaupt vorging. Er sah Gesichter, einige vertraut und andere unbekannt. Bauersfrauen starrten ihn mit harten Augen vorwurfsvoll an. Krieger waren da, einige freundlich, einige undurchschaubar, einige feindselig. Viele empfanden Mitgefühl, doch eine Schlacht ist immer ein Schmelztiegel, in dem große Verwirrung entsteht. Wer im Hafen gewesen war und die Ankunft der Angreifer beobachtet hatte, konnte sich nicht zusammenreimen, was geschehen war. Gabelbarts Anschuldigungen erklärten es ihnen – er deutete für sie die Vorfälle des Tages und benannte Helden und Feiglinge.
Vali konnte keinen klaren Gedanken fassen, nur hin und wieder tauchte eine verschwommene Idee auf, wie das Tageslicht manchmal das Wasser eines Sumpfes durchdringt. Ihm war noch nie so kalt gewesen. Er schauderte, und seine Haut war bleich und fleckig. Die Stimmen rings um ihn sagten, darin käme seine schwächliche Natur zum Vorschein.
Alle, die Gabelbart zur Versammlung begleitet hatten, hielten Vali für einen Feigling und Verräter. Die Krieger schämten sich, weil sie beim Angriff der Dänen nicht zur Stelle gewesen waren, und waren froh, eine Zielscheibe für ihr Gift zu finden.
Gabelbart war der Ansicht, dass auch er selbst sein Volk im Stich gelassen hatte. Man hatte ihn viel zu leicht übertölpelt und durch lange Jahre des Friedens in Sicherheit gewiegt. Er brauchte einen Sündenbock, und Vali – der Außenseiter, der dem Bild eines Helden gewiss nicht entsprach – kam ihm gerade recht. Vali hatte nicht begriffen, dass es nicht ausreichte, wie ein Held zu handeln. Man musste auch wie einer reden und sich für Waffen und Gemetzel begeistern. Man durfte andere Helden nicht auslachen und erst recht nicht seine Zeit damit verbringen, mit den Frauen am Herd zu plaudern. Als Vali die Verteidiger angeführt, die Berserker getäuscht und den Sieg errungen hatte, waren viele kaum bereit gewesen zu glauben, was sie mit eigenen Augen gesehen hatten. Als Gabelbart seine
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