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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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um sich versammelt, die ihm andächtig zuhört, wenn er etwas über die Wölfe erzählt. Rick spricht leise, langsam und artikuliert. Sein dünnes Haar quillt unter der Baseballkappe hervor bis auf den Kragen seiner gefütterten Blousonjacke, unter der die abgewetzten Jeans ins Endlose zu rutschen scheinen. Im Gegensatz dazu ist der weiße Schnurrbart sauber gestutzt und gibt ein freundliches, sanftes Lächeln preis. Man muss sich ganz auf ihn konzentrieren, wenn man ihn verstehen will. Aber dafür ist seine amerikanische Aussprache so deutlich, dass sie auch die meisten Ausländer verstehen.
    In meinem zweiten Wolfswinter, als ich Rick kennenlernte, wechselte ich erneut meine Taktik. Fortan klebte ich an Ricks gelbem Auto und folgte dem Forscher wie ein Hündchen. Ich machte mich nützlich, wann immer es ging. Hatte ich irgendwo Wölfe gesehen und Rick war nicht da, suchte ich ihn und meldete ihm meine Sichtung: Anzahl, Farbe und die Richtung, in die sie liefen. Fuhr ich in die Stadt, um Lebensmittel einzukaufen, nahm ich seine Einkaufsliste mit. Das ersparte ihm die Trennung von seiner wölfischen Familie. Immer öfter unterhielten wir uns über Wölfe und meinen Einsatz für ihren Schutz in Deutschland.
    Innerhalb der ersten zwei Jahre stieg die Wolfspopulation beträchtlich an. McIntyre konnte nicht überall sein. Er brauchte Helfer, die aus verschiedenen Ecken des Parks Sichtungen meldeten. Hatte er mich inzwischen als vertrauenswürdig und kompetent eingestuft? Oder nervte ich ihn so |75| sehr, dass er mich loswerden wollte? Jedenfalls fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte mitzuhelfen. Der »Herr der Wölfe« ließ mich mitarbeiten! Endlich! Ich erhielt ein Funkgerät mit seiner einprogrammierten Frequenz (»Unit One«) und gehörte damit ganz offiziell zu den freiwilligen Helfern des Wolfsprojektes. Mein Traum war wahr geworden.
    Von nun an flog ich mehrmals im Jahr nach Yellowstone, um die Wölfe zu beobachten und Rick zu unterstützen. Die Wolfspopulation wuchs und war eine Sensation, denn nirgendwo sonst auf der Welt konnte man so viele Wölfe in ihrem natürlichen Umfeld beobachten. Sie wurden uns quasi auf einem Silbertablett präsentiert. Eine völlig neue Welt tat sich mir auf. Ich erlebte die Wölfe so, wie ich sie weder aus den Gehegen noch aus Büchern kannte. Keine alles dominierenden Alphatiere, sondern Lebewesen, die uns in Vielem ähnlich sind: liebevolle Familienmitglieder, autoritäre Chefs, mitfühlende Helfer, durchgeknallte Teenager und alberne Spaßvögel.
    Jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, blicke ich zurück auf sechzehn Jahre Wolfsbeobachtungen in Yellowstone. In dieser Zeit habe ich viel von den Wölfen und ihrem Sozialverhalten gelernt. Heute glaube ich, dass ich durch ihr Beispiel ein besserer Mensch geworden bin, weil ich ihr Vorbild von Familie, Fürsorge und Loyalität immer wieder aufs Neue versuche in mein eigenes Leben zu integrieren.

|76| AUF DER SPUR DER WÖLFE
    »Unit 21, this is One« quäkte es aus dem Funkgerät.
    »This is 21«, meldete ich mich.
    »Wo bist du?«, wollte Rick McIntyre alias »Unit One« wissen.
    »An Footbridge.« Unterhalb der Parkbucht, in der ich stand, floss der Soda Butte River. Über ihn führte eine kleine Fußbrücke zum Wanderweg. Daher der Name.
    »Gut. Bleib da. Ich hab hier einen Schwarzen. Er kommt aus Westen in deine Richtung. Melde dich, wenn du ihn siehst.«
    Der Herr der Wölfe gab klare Anweisungen. Ich stellte den Motor ab, zog Handschuhe und Mütze über, stieg aus dem Auto und holte meine Ausrüstung von der Rückbank. Stellte das Zeiss-Spektiv auf und hängte mir das Fernglas um. Stopfte Stift und Block in die Taschen meines Parkas. Mit dem Fernglas suchte ich die angegebene Richtung ab. Nichts. Noch war die Sicht schlecht. Nur langsam erhellte sich der Himmel hinter den Bergen. Ich hoffte, dass die Sonne bald auftauchte und die Kälte vertrieb. Im Augenblick zeigte das Thermometer meines Autos minus achtundzwanzig Grad. Gut, dass ich am Morgen die Mukluks angezogen hatte. Darin blieben meine Füße mollig warm. Ein gelber Nissan stoppte neben mir. Rick stieg aus und drehte seine Handantenne in alle Richtungen. Das leise, regelmäßige Klacken wurde lauter.
    »480«, stellte Rick fest.
    Der Druid-Leitwolf! Die Druids waren neben den Sloughs und Agates die größte und bekannteste Wolfsfamilie im nördlichen Teil von Yellowstone. Ihren Namen hatten sie nach dem größten Berg in ihrem Territorium erhalten, dem Druid Peak.
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