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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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erloschen.
    Sommernächte sind kurz. Besonders kurz sind sie für uns |116| Wolfsbeobachter. Am nächsten Morgen sollte der Vorbereitungskurs für das Wolf Base Camp stattfinden. Vorher wollte ich unbedingt noch im Lamar Valley nach den Druids sehen. Die Wölfe lagen eng zusammengerollt in der Nähe der Höhle. Sie schliefen. Als die Sonne aufging, machte ich mich auf den Weg nach Gardiner. Ein ordentliches amerikanisches Frühstück mit Eiern, Speck und Kaffee nonstop im Town Café ist ein Muss für einen Camper nach einer kalten Nacht.
    Ich traf die anderen Teilnehmer in den Räumen der Yellowstone Association in Gardiner. Zwei Frauen und fünf Männer wollten mit ins Camp. In unserer bunt zusammengewürfelten Gruppe waren die Greenhorns in Sachen Wandererfahrung eindeutig in der Mehrzahl. Gemeinsam mit Angela Patnode und Dan Stahler wollten wir am nächsten Tag in die Tiefen der Hellroaring-Schlucht hinabsteigen und dort den Spuren der Wölfe folgen.
    Die attraktive und drahtige Angela war Ausbilderin für Backcountry-Touren. Sie sollte uns beibringen, wie wir uns im Bärengebiet und abseits der Zivilisation bewegen mussten.
    »Wir arbeiten hier nach dem Leave no Trace-Prinzip«, erklärte sie.
    »Das bedeutet, dass wir möglichst keine Spuren hinterlassen, wenn wir in der Natur sind. Nehmt beispielsweise die Wanderpfade. Wenn es welche gibt, bleiben wir auf diesen Wegen und laufen hintereinander. Gibt es keine, verteilen wir uns, und jeder geht seinen eigenen Weg. Auf diese Weise treten wir das Gras nicht zu sehr herunter; es kann sich schneller wieder erholen.«
    Wenn es nach Angela ging, wären wir wie die Störche durch die Landschaft gestakst und hätten möglichst keinen Grashalm zertreten. Weitere praktische Ausführungen würden noch folgen.
    Dan war der leitende Biologe des Yellowstone Wolfsprojektes und sah so jung aus, dass man ihn glatt für einen seiner Studenten hätte halten können. Ihn sollten wir bei der Arbeit unterstützen. Seine Diplomarbeit hatte er über die Beziehung |117| von Wölfen und Raben geschrieben. Es versprachen interessante Tage zu werden.
    Zuerst stand Theorie auf dem Programm. Wir beschäftigten uns intensiv mit dem Studium von Landkarten und übten mit dem Kompass die Orientierung in der Wildnis. Angela führte uns in das ABC des Backpacking ein. Sie kontrollierte auch, ob unsere Rucksäcke ordentlich gepackt waren. Da wir alles selbst in das Studiengebiet hinein- und wieder herausschleppen mussten, flog bei den meisten Teilnehmern die Hälfte des Rucksackinhalts als »überflüssig« wieder raus.
    Dann kam der lang erwartete Höhepunkt der Vorbereitung: das Bärentraining. Obwohl ich in Yellowstone schon gelegentlich Bären begegnet war (zum Glück immer ohne Probleme), war ich sehr froh über diese Lektion. Wir sahen das obligatorische Video, das jeder anschauen muss, der im Hinterland von Yellowstone übernachten will. Es zeigt die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Bären bei einem Angriff. Angela erklärte uns, wie wir uns verhalten müssten.
    »Vergesst, was ihr bisher gehört habt. Dass man bei einem Grizzly auf den Baum klettert und bei einem Schwarzbären davonrennt oder sonstigen Blödsinn. Man kann einem Bären grundsätzlich nicht davonrennen. Sie können schneller als ein Rennpferd laufen. Und auch Grizzlys können vorzüglich klettern.«
    Am schwierigsten zu unterscheiden, aber lebenswichtig seien diese beiden Angriffsarten: ein Angriff zur Verteidigung oder ein Angriff als Beutefangverhalten. Im ersteren Fall würde der Bär nur seine Jungen verteidigen wollen.
    »Probiert zuerst Folgendes«, demonstrierte Angela. »Bleibt ruhig stehen und redet mit dem Bären. Dabei zieht ihr euch langsam zurück. Wenn das nicht funktioniert und der Bär rennt auf euch zu, dann macht das …«
    Sie warf sich auf den Bauch, hielt die Beine gespreizt und verschränkte die Hände im Nacken.
    »Ihr müsst euch tot stellen.« Bei der weiteren Erklärung blieb uns das Kichern im Hals stecken.
    |118| »Wahrscheinlich wird der Bär versuchen, euch umzudrehen. Dann rollt euch wieder zurück auf den Bauch. Es kann sein, dass er in euren Rücken oder Kopf beißt und anfängt zu fressen. Rührt euch nicht! Bleibt unter allen Umständen wie tot liegen.« Irgendwann würde der Bär aufgeben. Gegen einen »toten« Angreifer müsse er seine Jungen oder seine Beute nicht verteidigen.
    »Bleibt noch eine ganze Weile so liegen, bis ihr sicher seid, dass der Bär verschwunden ist. Dann macht

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