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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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mir die Gehege, in denen die Wölfe in der Zeit vor ihrer Freilassung untergebracht werden. Sie liegen mitten im Ranchgebiet. Diane war verzweifelt.
    »Ich wollte hier wieder Wölfe leben sehen. Darum habe ich im Programm mitgearbeitet. Aber alles, was ich tue, ist, für Kanonenfutter zu sorgen. Wir bekommen die Wölfe aus den Zoos und bringen sie hier im Gehege unter. Dann lassen wir sie frei, und zwei Tage später sind sie tot. Erschossen. Die Viehzüchter hier sind den Wölfen gegenüber extrem feindlich eingestellt. Wir haben im März mit der Wiederansiedlung begonnen. Bisher hat sich an der Einstellung der Nutztierhalter nichts geändert.«
    Die Biologin fuhr fort: »Irgendwann muss einmal Schluss sein. Wir können doch nicht Wölfe um jeden Preis zurückbringen. Ich will nicht mehr in einem Projekt arbeiten, bei dem von vornherein klar ist, dass die meisten Tiere sterben werden. Was nützt uns die ganze Forschung, wenn die Wölfe von der örtlichen Bevölkerung nicht akzeptiert werden? Ohne Toleranz hat der Mexikanische Wolf keine Chance, dauerhaft zu überleben.« Kurze Zeit nach unserem Gespräch kehrte Diane nach Montana zurück.
    Das Programm für den Mexikanischen Wolf gibt es auch heute noch. Und weiterhin wird die Mehrzahl der freigelassenen Tiere erschossen. Inzwischen hat man sogar eine Samenbank |183| eingerichtet. Es ist geplant, Wölfinnen mit »gutem Genmaterial« in Zoos durch Hormonbehandlungen auf eine künstliche Befruchtung vorzubereiten.
    Zeitgleich wird in Alaska davon gesprochen, Wölfe zu sterilisieren, um so ihre Population zu dezimieren.
    Hormonbehandlung. Sterilisation. Wie weit wollen wir noch gehen? Wie viel Achtung und Würde wollen wir den Wölfen (und allen anderen Tieren, die wissenschaftlich erforscht werden) zugestehen? Sind die Informationen, die wir erhalten, die Beeinträchtigung des Lebens eines wilden Tieres wert?
    Ich frage mich, ob es nicht besser wäre, wenn wir unser Unwissen akzeptieren und die Wölfe einfach ihr Leben leben lassen. Mir drängt sich der Gedanke auf, dass wir gerade mit der zu Forschungszwecken genutzten Telemetrie über diese Lebewesen herrschen. Das Recht, sie mit Marken oder Halsbändern auszustatten, wird nie infrage gestellt. Erfolge müssen her. Je aufwendiger die Technik, je prestigeträchtiger die Tierart, desto mehr Wissenschaftler und Studenten wollen sich profilieren. Forschungsprojekte, die keine Telemetrie verwenden, werden oft gar nicht mehr ernst genommen. Die beiden Primatenforscherinnen Jane Goodall und Dian Fossey, die immer wieder auf die moralische Verantwortung der Forschung für das Wohlergehen der Tiere hingewiesen haben, waren stets massiver Kritik von Kollegen aus der Wissenschaft ausgesetzt.
    Forschung und Wildtiermanagement hinterlassen für mich immer noch mehr Fragen als Antworten. Die Tiere, die wir erforschen, sind von uns abhängig. Wir sind für ihr Wohlergehen verantwortlich. Darum ist es unsere ethische Pflicht, ihnen keinen Schaden zuzufügen.
    Ideal wäre es, wenn man so viele Daten wie möglich mit so wenig Eingreifen wie nötig erhalten könnte. Das Problem ist, dass wir schnelle Ergebnisse wollen – und diese manchmal auch gefordert sind. Meist vergeben Regierungen Forschungsaufträge aus einer akuten Notwendigkeit heraus, beispielsweise wenn entschieden werden muss, ob der Artenschutz für eine |184| Tierart eingeschränkt oder aufgehoben werden muss. Dann müssen möglichst schnell Ergebnisse und Lösungsvorschläge her. Das setzt auch die Forscher unter Druck.
    Aber egal, wie sehr wir uns auch bemühen, die Dinge anzutreiben, die Antworten kommen oft nur langsam. Manchmal denke ich, dass es den Wölfen Spaß macht, die Forscher an der Nase herumzuführen. Ganz nach dem Motto: Ihr denkt, ihr wisst über uns Bescheid, dann passt jetzt mal genau auf.
    Ich kann tausendmal das Verhalten von Wölfen beobachten und endlich freudig zu dem Schluss kommen: »Wölfe verhalten sich so!« Endlich eine konkrete Aussage für die Lehrbücher. Und was passiert? Beim tausendundersten Mal dreht sich der Wolf um und verhält sich völlig anders.
    Das ist das Faszinierende an ihnen. Man ist sich nie sicher, was passiert, und muss immer mit dem Unvorhersehbaren rechnen.
    Als ich in Wolf Park anfing, Gehegewölfe zu beobachten, wurde ich belächelt, weil ich über ihre Gefühle sprach. Heute lacht niemand mehr. Die meisten Wissenschaftler sind inzwischen bereit, Emotionen und Gefühle bei Tieren anzuerkennen. Aber behandeln wir sie

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