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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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präsentierten sich fotogen in der Morgensonne. Ich wollte gerade meine Kamera auspacken, da bemerkte ich eine wolfsähnliche Gestalt. Buschiger Schwanz, aber zu große Ohren. Das Tier war ganz in meiner Nähe. Normalerweise hätte es fortlaufen müssen. Aber das tat es nicht. Es sprang nur auf und fiel dann gleich wieder zu Boden, so als ob es von etwas festgehalten würde. Als ich ein metallenes Klirren hörte, ahnte ich, dass es in eine Falle geraten war. Mein Herz klopfte bis zum Hals, als ich noch näher heranfuhr. Ich wusste, dass das Tier vor einem Auto weniger Angst haben würde als vor einem Zweibeiner. Dann sah ich ihn. Ein Kojote in einer Falle. Er versuchte verzweifelt zu entkommen, setzte sich dann aber schließlich hin. Ich konnte den Stahlbügel sehen, der seine blutige rechte Pfote festhielt. Die Falle hing an einer Kette, die um einen Baum geschlungen war. Panische aufgerissene, schmerzerfüllte Augen. Ich werde dieses Bild niemals vergessen.
    |176| »Ich hole Hilfe«, versprach ich dem Kojoten und raste los. Das erste Auto, das mir entgegenkam, hielt ich an. Der Fahrer schaute mich merkwürdig an, als ich ihm unter Schluchzen zu erklären versuchte, warum ich Hilfe brauchte.
    »Das ist die Wolfsfalle einer Biologin«, sagte er. »Sie ist schon auf dem Weg.«
    Und da kam sie auch schon. In einem klapprigen Pickup saß eine junge blonde Frau. Ein großer Hund nahm den gesamten Beifahrersitz ein. Ich winkte sie heran und rollte das Fenster herunter.
    »Der Kojote …«, schniefte ich.
    »Ich weiß. Ich bin schon auf dem Weg zu ihm. Ich werde ihn befreien«, sprach sie beruhigend auf mich ein. »Er ist in eine meiner Wolfsfallen gekommen.«
    Immer noch mit tränenüberströmtem Gesicht fragte ich:
    »Hat er Schmerzen?«
    »Wahrscheinlich schon«, antwortete die Forscherin. »Aber ich werde ihm etwas Salbe auf die Wunde geben. Dann geht es ihm schnell wieder gut.«
    Sie fragte mich, wo ich jetzt herkomme und ob ich Wölfe am See gesehen habe, und berichtete kurz von dem Wolfsprojekt, an dem sie arbeitete. Ihr Versuch, mich in ein Gespräch zu verwickeln und so zu beruhigen, zeigte Wirkung. Der Kojote hing in einer Spezialfalle und würde vermutlich keine allzu schlimmen Verletzungen haben.
    »Ich muss jetzt los und mich um den Kleinen kümmern.« Der Pickup mit Frau und Hund holperte weiter.
    Ein Jahr später sah ich die junge Biologin auf einer Wolfskonferenz. Es war Diane Boyd, eine bekannte amerikanische Wolfsforscherin. Wir trafen uns später noch öfter. »Ich habe dich nie vergessen. Du warst so aufgelöst und hast mir so leidgetan«, sagte sie einmal zu mir.
    Ich konnte nicht verstehen, warum man Tieren so etwas antun muss. Welches Recht hatten wir, derart in die Natur einzugreifen, dass wir die Tiere nicht nur störten, sondern sogar verletzten?
    |177| Dass Forschung auch anders aussehen kann, erfuhr ich von Georg Sutter aus der Schweiz. Georg war seit über zwanzig Jahren als kantonaler Wildhüter beim Amt für Jagd und Fischerei in Graubünden angestellt, wo einzelne Wölfe Anfang dieses Jahrtausends aus Italien eingewandert sind. Als Georg mich einmal in Yellowstone bei meiner Forschung begleitete, war er von dem technischen Aufwand, den die Wissenschaftler dort betreiben, nicht begeistert.
    »Ich gehe lieber allein in meine Berge, setze mich irgendwo hin und warte, bis die Wölfe kommen.«
    Seit er pensioniert ist, verbringt Georg jeden Sommer als Hirte auf einer Alp. Wenn er im Herbst zurück ins Tal kommt, kann er von beeindruckenden Sichtungen »seiner« Wölfe berichten. Mit seiner stillen Beobachtungsgabe hat er mehr zur Forschung über die Schweizer Wölfe beigetragen als mancher Wissenschaftler.
    Aber Zeit ist das, was Wissenschaftler heute nicht mehr haben. Doug Smith, der Leiter des Yellowstone Wolfsprojektes, sagt dazu:«Wir können nicht mehr zu den Zeiten zurück, als wir uns nur still hinsetzten, beobachteten und Aufzeichnungen im Tagebuch machten, so gern wir es auch manchmal möchten. Dafür ist der Großraum Yellowstone mit 72   800 Quadratkilometern zu groß. Radiohalsbänder sind das Herz und die Seele der Wolfsforschung.«
    Ursprünglich sollten die Wölfe nur in den Anfangsjahren besendert werden. Heute tragen etwa dreißig bis fünfunddreißig Prozent ein Halsband. In jedem Winter werden einige der Jährlinge besendert. Für mich hat eine solche Aktion sehr zwiespältige Gefühle zur Folge.
    Es geschieht stets an einem schönen, sonnigen Wintertag. Die Wölfe liegen

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