Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss
Beute gewesen sein.
Ich umklammerte das Lenkrad so fest, dass mir die Hände wehtaten. Ich begrüßte den Schmerz. Er ließ mich den in meiner Brust, das quälende Stechen in meinem Magen, das Brennen der Tränen in meinen Augen und in meiner Kehle vergessen.
Ich war eine solche Idiotin gewesen.
Ich erreichte die Abzweigung zu seinem Haus und parkte meinen Wagen neben seinem. Die Sonne war schon fast unter den Horizont gesunken, der Mond noch nicht ganz aufgegangen. Für gewöhnlich fand diese Art von okkultem Mist um Mitternacht statt. Falls das stimmte, hatte ich jede Menge Zeit.
Ich blieb am Rand der Lichtung stehen. Gelbliches Licht erhellte die Fenster seiner Blockhütte. Entweder war er zu Hause, oder er verschwendete gern Strom.
Ich machte mich innerlich bereit, den Hof zu überqueren und einzutreten. Ich hatte nicht vor, anzuklopfen. Ich war keine komplette Idiotin. Oder vielleicht war ich das doch. Ich machte einen Schritt nach vorn, und jemand packte mich von hinten.
Mein Gewehr flog ins Unterholz. Starke Arme hielten die meinen auf dem Rücken fest. Ich wehrte mich, trat nach hinten aus, versuchte, den Angreifer über meine Schulter zu werfen. Nichts davon funktionierte.
Ich holte tief Luft, und da roch ich ihn. „Will?“
SeineLippenglittenübermeineSchulter;dannwanderteseinMundweiterzumeinemHals,undseineZähneschrammtenüber meine Haut. Ich erschauderte. „Lass mich los.“
Er hob den Kopf; sein Atem strich über mein Haar. Mein Körper wurde weich vor Verlangen. Ich fühlte mich armselig.
Und plötzlich war ich frei. Meine Hand zuckte zu meiner Pistole, aber sie war weg.
Ich wirbelte herum. Cadotte hatte sie. Es war ihm außerdem gelungen, das Gewehr an sich zu bringen. Er sah ein bisschen absurd aus, mit zwei Waffen in den Händen und dabei vollkommen nackt.
Nun, tatsächlich war er nicht vollkommen nackt. Er trug das Totem um den Hals. Ich nahm an, dass er nicht leugnen würde, es gestohlen zu haben.
„Du musst nach Hause gehen, Jessie.“
„Ha. Das denke ich nicht.“
„Bitte. Ich will nicht, dass dir etwas zustößt.“
„Zu spät.“
Er runzelte die Stirn. „Wovon sprichst du?“
„Ich weiß Bescheid über die Zeremonie. Ich weiß, was du brauchst, um zum Wolfsgott zu werden.“
„Ich? Ich werde nicht zum Wolfsgott.“
„Wozu brauchst du das dann?“ Ich deutete auf das Totem.
„Ich versuche, sie aufzuhalten.“
„Wie?“
„Ich habe das Ritual gefunden.“ Seine Hände krampften sich um die Waffen. Sein Blick driftete über meine Schulter. Seine Unruhe war offensichtlich. „Das Ganze ist zu kompliziert, um es dir jetzt zu erklären. Ich muss es zu Ende bringen, bevor der Blaue Mond aufgeht.“
„Woher weiß ich, dass du nicht gerade dabei bist, einen Wolfsgott zu erschaffen?“
Er seufzte. „Das kannst du nicht wissen. Du wirst mir einfach vertrauen müssen.“
„Ich glaube nicht, dass ich das kann.“
Kummer flackerte über sein Gesicht, und für einen Moment fühlteichmichschlecht.DannwandertemeinBlickzudemTotem, und ich erinnerte mich an einen von Zees wenigen Lieblingssprüchen, die kein Schimpfwort beinhalteten.
Halte mich einmal zum Narren, Schande über dich. Halte mich zweimal zum Narren, Schande über mich .
„Schande über mich“, murmelte ich.
Er schüttelte den Kopf. „Sarkastisch bis zum Ende. Das ist mein Mädchen.“
„Ich bin nicht dein Mädchen.“
Seine Lippen wurden schmal; seine Augen verengten sich. Ich hatte es geschafft, ihn zu verärgern, und das war nicht leicht.
„Ich habe keine Zeit, mit dir zu streiten. Wirst du dich benehmen, oder muss ich dich erst fesseln und knebeln?“
Auf keinen Fall würde ich mich von ihm fesseln und knebeln lassen, noch nicht mal aus Spaß. „Ich werde mich benehmen.“
Er grunzte irgendwas, dann lief er in einem weiten Bogen zu einem Steinkreis am entlegenen Ende der Lichtung. Da er meine Waffen hatte, gab es nicht viel, was ich hätte tun könne n – im Moment.
Abgesehen davon benötigte er Clyde zufolge mein Blut, um die Tat zu vollbringen. Wenn er kam, um es sich zu holen, würde ich bereit sein.
Ich setzte mich auf die Verandastufen. Cadotte entfachte in der Mitte der Steine ein Feuer. Anschließend sprenkelte er etwas darüber, das wie Erde aussah, nur dass die Flamme erst grün, dann lila, dann blutrot wurde. Keine Erde die ich je gesehen hatte, konnte so etwas bewirken.
Ich konnte die Augen nicht von dem Feuer, von ihm abwenden. Die Farben der Flammen tanzten
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