Wolfsliebe - Tochter der Wildnis
auf ein Zeichen ihrerseits wartete, um den Mann anzugreifen.
»Fort mit dem Gewehr, sonst puste ich deinem kleinen Freund das Gehirn weg.« Hämisch grinsend starrte der Vernarbte auf den Wolf an Tikias Seite.
Doch Tikia blieb ruhig und starrte ihren Gegner nur weiterhin angewidert an. »Dazu wirst du keine Zeit haben!«, sagte sie kalt, und etwas in ihrer Stimme ließ den Alten erschaudern.
Langsam wandte er den Kopf und erschrak, als er geradewegs in ihre kalten, entschlossenen Augen blickte. »Die erschießtmich wirklich …!« Ein Angstschauer lief ihm über den Rücken, und langsam senkte er die Waffe, während er den Blick nicht von diesen eiskalten Augen abwenden konnte.
»Hey!« Eine junge Frau in Begleitung eines großen Hundes kam mit raschen Schritten auf sie zu.
Augenblicklich richtete sich der Zahnlose auf und verbeugte sich tollpatschig vor der Frau. Der Vernarbte ließ seine Waffe schnell in einer Seitentasche verschwinden und lugte dann vorsichtig wieder zu Tikia.
» Was habt ihr Strolche ihr angetan?«
Betreten schauten die beiden zu Boden.
Die junge Frau ließ noch einiges an Beschimpfungen an den beiden Alten aus, bevor sie ihre Aufmerksamkeit Tikia zuwendete.
Tikia folgte verdutzt dieser Szene, die sich vor ihr abspielte, doch ihr Jagdgewehr war nach wie vor gegen die Schläfe des Alten gerichtet.
Die junge Frau lachte kurz über Tikias erstauntes Gesicht, dann ging sie zu ihr hin, senkte Tikias Arm mitsamt dem Jagdgewehr und lächelte sie an.
»Na los, Kleines! Komm mit mir! Dieses Viertel ist nichts für ein junges Mädchen wie dich!«, sagte sie und zog Tikia sanft am Arm mit sich fort.
Tikia, die sofort tiefe Sympathie für die junge Frau empfand, leistete keinen Widerstand, und als die junge Frau dann auch noch fröhlich nach Koon rief, der den beiden nur verdutzt hinterherblickte, hatte Tikia sie bereits in ihr Herz geschlossen.
KAPITEL 12
Shila Sentû
Schweigend eilten sie die dunkle Gasse entlang. Mit Unbehagen schaute Tikia sich um, doch die verwahrlosten Menschen sahen sie nicht mehr wie zuvor mit Argwohn an, sondern grüßten verlegen und blickten ehrfürchtig zu Boden. Verwundert blickte sie ihre Begleiterin an. »Warum waren die denn auf einmal so still, sollte das an dieser Frau liegen?« , fragte sie sich.
»Du fragst dich sicher, warum dieses Viertel auf einmal einen so harmlosen und friedlichen Eindruck macht, nicht wahr?«, lächelte die junge Frau an ihrer Seite, die Tikias Blick aufgefangen hatte.
Zögernd nickte Tikia.
»Nun … Mein Vater hat sich sehr für diese Menschen eingesetzt, er hat nicht sonderlich viel erreicht, aber schon allein wegen seiner Bemühungen schätzen und ehren sie ihn sehr. Auch seiner Familie gilt diese Anerkennung.«
Sie drehte sich nun zu Tikia um, nahm sie kurzerhand in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die rechte Wange.
Verwirrt starrte Tikia sie an. So viel Herzlichkeit hatte sie als Fremde wirklich nicht erwartet.
»Ich bin übrigens Shila Sentû! Kannst mich Shila nennen!«, sagte die junge Frau fröhlich.
Tikia sah die junge Frau erstaunt an, blickte dann verlegen zu Boden und räusperte sich leise. »Ich heiße Tikia. Tikia Mayan!«, antwortete sie zögernd.
Shilas Blick erstarrte. »Mayan …« , wiederholte sie in Gedanken und blickte Tikia flüchtig an.
Tikia, die Shilas Erstaunen nicht mitbekommen hatte, zeigte nun auf den jungen Wolf, der an ihrer Seite ging: »Er heißt Koon! Ich habe ihn nach meinem Großvater benannt. Er ist mein bester und einziger Freund!«, sagte sie leise. »Er versteht alles, was ich sage, nicht wahr, Koon?«
Koon jaulte zur Bestätigung kurz auf, bevor er seine ganze Aufmerksamkeit endgültig der jungen Hündin zuwandte.
»Ich weiß nicht, ob ich das alles ohne ihn geschafft hätte!«, seufzte Tikia.
Shila schaute gedankenverloren zu ihr hin, dann lächelte sie verwirrt und blickte nach vorn.
»Mayan … Großvater Koon …«, wisperte sie kaum hörbar.
»Shila?«, fragte Tikia, die Shilas Geistesabwesenheit endlich bemerkt hatte.
Shila zuckte zusammen, fasste sich jedoch wieder recht schnell: »Ja?«
»Kennst du einen Herrn Zenô? Tukann Zenô? Als mein Großvater noch jung war, war Herr Zenô ein guter Freund von ihm! Ich muss ihn finden!«
»Ich habe schon von diesem Mann gehört! Soweit ich weiß, hat er hier ganz in der Nähe seinen Laden. Ich kann dich dorthin bringen, er liegt auf meinem Heimweg!«, antwortete Shila freundlich.
»Warst du schon einmal dort?«, fragte Tikia
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