Wolfsliebe - Tochter der Wildnis
auf die großen Feuersäulen, dann wagte sie sich vorsichtig näher heran und streckte ihre zitternde Hand nach einer der glitzernden Säulen aus. Als ihre Fingerspitzen zögernd das seltsame Etwas berührten, erkannte Tikia erstaunt, dass es eiskalt war.
Shila hatte der ganzen Szene verwirrt beigewohnt. Neugierig beobachtete sie Tikia, wie sie ihre Hand abrupt zurückzog und sich dann fragend nach ihr umsah.
»Warum ist diese Feuersäule so kalt, obwohl sie Feuer birgt?Und warum erlischt es nicht bei diesem Wind?«, fragte Tikia verwundert.
»Hat sie etwa noch nie …?« , überlegte Shila ungläubig. »Das ist kein Feuer, mein Kind! Das ist ein Laternenpfahl. Mit elektrischem Licht!«
Fragend sah Tikia sie an. »Was ist das?«
»Das ist Licht, das von Menschen erzeugt wird!«, antwortete Shila leise. Fassungslos blickte sie Tikia an, die sich nun wieder der Laterne zugewandt hatte.
»Von Menschen erzeugt?«, hauchte Tikia. »So was könnt ihr? Ihr könnt Licht erzeugen? Wie?«
»So genau habe ich das selbst nie verstanden. Ist eine komplizierte Geschichte! Aber ja, wir können mit Elektrizität Licht erzeugen.«
»Deshalb erlischt es nicht? Weil es kein Feuer ist, sondern … Elektrizität?«, fragte Tikia wissensdurstig.
Fasziniert sog sie jede noch so kleine Information über diese merkwürdigen Dinge in sich auf. Alles in dieser Stadt war so aufregend, so neu und unbekannt für sie.
Bei allem, was Tikia unbekannt war, blieb sie stehen, umkreiste und beobachtete es ausführlich und hörte dann aufmerksam Shilas Erklärungen zu. Erstaunlich schnell begriff und behielt Tikia all die Informationen, die sie von Shila bekam. Schon bald hatte sie all die unbekannten Wörter ihrem Wortschatz hinzugefügt und wusste bereits nach recht kurzer Zeit sie geschickt den einzelnen Dingen zuzuordnen.
»Sie lernt erstaunlich schnell für ein Mädchen, das scheinbar nie in Kontakt mit der modernen Zivilisation gekommen ist« , überlegte Shila erstaunt. »Wahrlich, Tikia ist ein sehr kluges Mädchen.«
»Tikia«, rief Shila, die mit Koon und Kyra an ihrer Seite einige Meter vor ihr ging und alles begeistert beobachtete.
Lächelnd drehte Tikia sich zu Shila um. »Ja?«
»Tukanns Laden. Hier!«, antwortete Shila und deutete mit ihrer Hand auf einen Laden, der sich zu ihrer Rechten befand.
Aufgeregt rannte Tikia auf Shila zu und schaute dann erfreut zum Ladenschild hoch, auf dem in großen, reich verzierten Lettern eine himmelblaue Inschrift eingelassen war.
»Tukanns Träumerstube!«, las sie laut.
»Lesen kannst du also auch!« , schmunzelte Shila. »Gute Arbeit, Großvater Koon!«
»Das ist also Tukanns Laden?« , dachte Tikia aufgeregt.
»Träumerstube! Hört sich gut an, oder?«, fragte sie Shila glücklich.
»Ja …«, lächelte Shila. »Hier trennen sich also unsere Wege?!«, fragte sie Tikia mit trauriger Stimme.
»Vorerst ja, aber ich werde von nun an hier wohnen, und dann komme ich dich ganz oft besuchen! Du musst mir nur sagen, wo ich dich finden kann.«
»Ja! Natürlich! Einen Moment, bitte!« Hastig kramte Shila in ihrer Handtasche herum.
»Wo ist bloß …? Aha, da ist er ja!«, sagte sie und zog einen kleinen Papierblock und einen Stift heraus. Sie schlug ihn auf und kritzelte eine kleine Notiz darauf, dann gab sie Tikia den Block, die die Notiz neugierig las.
»Fuchsallee 59 ?«, murmelte sie und sah Shila dann fragend an.
»Ja! Da wohne ich! Du musst dich nur an die Straßenschilder halten!«
Mit ihrem rechten Zeigefinger zeigte sie auf ein Schild, das sich an der nächsten Straßenecke befand.
»Die Fuchsallee liegt zwei Straßen von der Träumerstube entfernt. An der Fassade ist ein goldenes Schild mit einer › 59 ‹ angebracht. Das ist mein Haus! Du kannst es gar nicht verfehlen!«
Wehmütig schloss Shila Tikia einen kurzen Moment in ihre Arme, bevor sie ihr einen kleinen Abschiedskuss auf die Wange gab und ihr noch einmal tief in die Augen sah.
»Pass ja auf dich auf! Wenn dir irgendetwas widerfährt, komm sofort zu mir, versprochen?«
»Ja!«, antwortete Tikia und schloss Shila noch einmal in ihre Arme, bevor die sich auf den Weg nach Hause machte.
»Bis bald, Shila!«, rief Tikia ihr fröhlich nach.
Shila drehte sich um, winkte und schickte ihr einen Luftkuss zu.
Laut seufzend wandte sich Tikia wieder dem Laden zu, atmete noch einmal tief durch, griff dann entschlossen nach der goldenen Klinke und trat selbstsicher über die Schwelle.
KAPITEL 13
Tukanns Geschichte
»Mein
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