Wolfsliebe - Tochter der Wildnis
Kopf dröhnte, und mit einer zögernden Handbewegung fasste er sich an die Schläfe. Er spürte etwas Warmes über seine Finger laufen.
»Was …?«, murmelte er mit belegter Stimme.
Etwas Kaltes presste sich nun an seine andere Schläfe, und als er danach tastete, erkannte er mit Schrecken, dass es sich um den kalten Lauf des Jagdgewehres handelte.
Zu Tode erschrocken blickte er geradewegs in die triumphierenden Augen von Tikia, die sich wie eine Raubkatze über ihn beugte.
Lächelnd versuchte er den Lauf von sich zu drücken, doch Tikia machte ihm mit einem schmerzhaften Fußtritt in seine Lenden sehr schnell klar, dass sie es ernst meinte.
»Die meint es ernst«, dachte der Junge ängstlich.
»Bitte, tu mir nichts!«, flüsterte er keuchend.
Erstaunt über dieses unterwürfige Verhalten des Fremden sah Tikia ihn leicht verwirrt an. Schnell fasste sie sich jedoch wieder und verstärkte zur Sicherheit den Druck des Laufes auf die Schläfe des Jungen.
»Wer bist du?«, schrie sie ihn an. »Und was hast du in meinem Zimmer zu suchen?«
»Du bist es doch, die sich hier eingeschlichen hat!«, erwiderte der Junge trotzig.
Kyra, durch den Lärm aufgeweckt, trottete gähnend zu den beiden hin und hockte sich seelenruhig neben dem Fremden auf den Boden. Ohne weiter auf Kyras ungewöhnliches Verhalten einzugehen, wiederholte Tikia ihre Frage einen Ton schärfer.
»Ich bin Kenzô! Kenzô Sentû!«, schrie der Junge nun und fasste sich an die schmerzende Schläfe.
»Du lügst!!!«, schrie Tikia erzürnt und verpasste dem Jungen einen weiteren heftigen Tritt.
»Doch, das ist die Wahrheit!«, keuchte der Junge hilflos.
»Dieser Kenzô Sentû ist Shila Sentûs Mann! Vom Alter her könntest du noch nicht einmal ihr Sohn sein!«
»Bin ich aber!«, schrie der Junge und keuchte alsbald wieder vor Schmerzen auf, denn Tikia hatte ihm erneut einen heftigen Tritt verpasst.
»Du elender Lügner!«, zischte Tikia. »Nenn mir einen Grund, warum ich dich nicht einfach erschießen sollte, du mieser kleiner …« Tikia hielt inne. Grelles Licht flutete das Zimmer.
»Weil er die Wahrheit spricht«, antwortete Shila ihr ruhig, die, lässig gegen den Türrahmen gelehnt, der Szene beigewohnt hatte.
»Dieser ängstliche kleine Wicht ist mein Sohn, Kenzô!« Lächelnd machte sie das Licht im Zimmer an und ging zu den beiden Jugendlichen hin. Sie nahm Tikias Gewehr an sich und half ihrem Sohn auf die Beine.
Schweigend schauten Tikia und der Junge einige Zeit auf Shila, die Kyra wieder in ihr Körbchen schubste.
Tikia fand als Erste ihre Stimme wieder. »Dein Sohn? Der ist höchstens dein kleiner Bruder!«, rief sie fassungslos.
»Nein. Bei Kenzô handelt es sich tatsächlich um meinen Sohn.« Lächelnd sah sie die ungläubig dreinschauende Tikia an. »Ich habe ihn im Alter von gerade mal sechzehn Jahren bekommen«, erklärte sie.
Tikia klappte der Mund auf.
Der Junge blickte verlegen zu Boden.
»Mit sechzehn Jahren?«, dachte Tikia schockiert.
»Ich weiß, was du jetzt denkst! Die hat sie doch nicht mehr alle, mit sechzehn Jahren schon ein Kind zu bekommen!«
Verlegen sah Tikia nun zu Boden. Es waren nicht genau dieselben Worte, die ihr in den Sinn gekommen waren, aber es traf sinngemäß recht gut zu.
»Aber weißt du, Kleines«, fuhr Shila ungestört fort, »ich liebe Kenzôs Vater über alles, und die Entscheidung, das Kind zu behalten, habe ich auch nie bereut!«
Liebevoll wuschelte sie ihrem Sohn durch die Haare.
»Lass das, Mum!«, murmelte er und schüttelte sie ab.
Schmunzelnd betrachtete sie die beiden und dachte wehmütig an ihre eigene Familie, von der nur noch sie übrig war.
KAPITEL 18
Die Tochter des Helden
Lächelnd trat Tikia zu Kenzô und verbeugte sich langsam vor ihm.
»Dieses kleine Missverständnis tut mir leid«, sagte sie verlegen. »Ich dachte, du wärst ein Einbrecher, der sich gewaltsam Zutritt zu Shilas Haus verschafft hätte. Es tut mir leid!«
Kenzô sah sie mürrisch an.
»Es tut dir leid, ja?«, murrte er.
»Ja!«, antwortete Tikia und setzte ihr schönstes Lächeln auf.
Fast wäre Kenzô wieder schwach geworden, doch seine Schläfe fing genau zum rechten Zeitpunkt zu schmerzen an, und wütend zeigte er auf Tikia: »Diese Furie ist auf mich losgegangen und hat mir das Gewehr übergebraten! Wärst du nicht aufgetaucht, hätte sie mich wohl erschossen!«, rief er Shila mit sich überschlagender Stimme zu.
»Ach was! Das hätte sie sicher nicht! Nicht wahr, Tikia?«
Shila schaute
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