Wolfsliebe - Tochter der Wildnis
an den Kopf.
Kenzô blickte zu ihr hoch und erhob sich dann. Ruhigen Schrittes trat er auf sie zu und zog sie näher an sich heran.
Tikia stockte der Atem. Was war bloß los mit ihr? Warum raubte die bloße Gegenwart dieses Jungen ihr den Atem? Warum fühlte sie sich so schwach, wenn er in ihrer Nähe war oder sie bloß an ihn dachte.
»Ist dir nicht gut?«, fragte er mit rauer Stimme und fuhr ihr sanft über die Stirn.
»Du glühst ja förmlich«, stellte er besorgt fest, schubste sie in Richtung Stuhl und forderte sie dann sanft zum Hinsetzen auf.
»Wäre ja eigentlich kein Wunder, wenn du dich erkältet hättest«, sagte er und werkelte in den Schränken herum.
Fragend blickte Tikia ihn an. »Warum?«, fragte sie mit belegter Stimme. Ihr Herz raste. Das leichte Schwindelgefühl vom Vorabend hatte sich verschlimmert, und ihre Körpertemperatur war deutlich angestiegen. Wurde sie etwa tatsächlich krank?
»Wie ich gehört habe, hast du dich von der Hütte deines Großvaters bis hierher alleine durchgeschlagen? Beachtliche Leistung!«, sagte er anerkennend und lächelte sie voller Zuneigung an.
»Das Lächeln hat er eindeutig von seiner Mutter!« , schoss es Tikia in den Sinn. Das Schwindelgefühl wurde stärker.
Kenzô drehte ihr erneut den Rücken zu und wandte sich dann kurz darauf mit einem dampfenden Becher Kakao wieder um. »Hier! Das hilft gegen Übelkeit! Mir jedenfalls …«, meinte er leicht verlegen und stellte den dampfenden Kakao vor Tikia auf den Tisch.
Mit rasendem Herzschlag sah Tikia auf den dampfenden Becher. »Der kann ja richtig nett sein!« , stellte sie überrascht fest.
»Weißt du, was das ist?«, fragte Kenzô vorsichtig und schaute sie fragend an.
»Klar! Kakao! Deine Mutter hat mir gestern Abend welchen gemacht!«
»Lecker, was?«
»Ja!«, erwiderte Tikia und lächelte ihn unwillkürlich mit tiefer Zuneigung an.
Kenzô lief rot an und wandte sich verlegen zur Tür. »Ich muss jetzt gehen! Ich habe noch eine Verabredung! «, sagte er und betonte das letzte Wort absichtlich, um Tikias Reaktion darauf zu sehen.
»Ist gut!«, sagte Tikia unbekümmert. »Bis nachher!«
Etwas enttäuscht über den knappen, aber herzlichen Abschiedsgruß von Tikia öffnete Kenzô die Haustür und trat hinaus ins Freie.
Er lief die Straße entlang und bog schließlich in die Arienallee ein.
»Hat sie gar nicht gekümmert, dass ich eine Verabredung habe. Dabei könnte ich doch auch mit einem Mädchen verabredet sein …« Verdrießlich schlenderte er den Gehweg entlang.
»Hey, Kenzô!«
Fragend blickte Kenzô auf.
Heftig winkend kam ihm ein Junge entgegengelaufen.
»Tenzing!«, rief Kenzô dem Jungen fröhlich entgegen.
Gemeinsam gingen die beiden weiter, und Kenzô erzählte seinem Freund in allen Einzelheiten von den vergangenen Ereignissen.
»Echt?«, fragte der junge Mann, als Kenzô geendet hatte. »Und wie ist die Kleine so? Wie alt ist sie denn?«
»Sie sagte meiner Mutter, sie wäre sechzehn …«, antwortete Kenzô nachdenklich. »Sie ist also ein Jahr jünger als ich.«
Schmunzelnd hielt er inne und sah zum Himmel hoch, der sich in einem strahlenden Blau über ihm ausbreitete.
»Dieses Mädchen ist eine Wucht! Sie ist wild, temperamentvoll und unglaublich süß zugleich …«
»Ich dachte, sie hätte dich beinahe umgebracht?«, fragte Tenzing verwirrt.
»Ja, irre, was? Aber gerade das macht sie zu etwas Besonderem! Sie ist nicht so langweilig wie diese schnöden Labertaschen aus unserer Schule! Sie ist … außergewöhnlich! Wenn sie lächelt, sieht sie so unglaublich zerbrechlich aus, dabei weiß sie sich sehr wohl zu verteidigen!«
Lächelnd blickte Kenzô seinen Freund an.
»Sie ist einfach unglaublich, Tenzing!«
Belustigt hob Tenzing die rechte Augenbraue hoch. »Kenzô, Kenzô!«, sagte er mit spöttischem Unterton.
»Was?«, fragte Kenzô lachend. »Was?« Spielend versetzte er Tenzing einen Stoß in die Rippen.
»Du bist verliebt!«, meinte Tenzing und schüttelte Kenzô geschickt ab.
Kenzô sah ihn nachdenklich an. »Verliebt? Ich?«
»Ja, Alter! Die Kleine hat dir den Kopf verdreht!«, meinte Tenzing bestimmt.
»Das ist doch …« Dann hielt Kenzô inne. »Verliebt? In ein fremdes Mädchen, das mich beinahe umgebracht hätte?«
»Hm …«, seufzte er leise. »Ja, scheint wohl so zu sein!«
KAPITEL 20
Autos und andere Ungeheuer!
Als Shila die Treppe herunterkam, saß Tikia noch immer still auf ihrem Stuhl und starrte auf den von Kenzô zubereiteten Kakao,
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