Wolfsliebe - Tochter der Wildnis
einlaufen.
Verlegen sah Tikia die Frau an. »Ich kann mich alleine waschen …«, nuschelte sie leise.
»Das weiß ich doch! Aber dieses Ding ist nichts für ein junges Mädchen wie dich! Zudem ist es ganz verdreckt!« Die Nase rümpfend zupfte Shila an dem Pelz. »Na los, gib ihn mir! Morgen besorg ich dir anständige Kleidung! So was gehört auf den Müll!«
Schockiert starrte Tikia sie an.
»Nein!«, rief sie und schlang ihre Arme schützend um den Pelz an ihrer Taille. »Den habe ich von meinem Großvater bekommen! Er gehört mir!« Ihr schossen Tränen in die Augen.
Shila seufzte laut und setzte sich dann auf den Beckenrand.
Vorsichtig schaute Tikia zu Shila hinab und war abermals wie verzaubert von ihrem Lächeln.
»Kommt Großvater Koon eigentlich bald nach? Was treibt er eigentlich? Und wie geht’s deinen Eltern?«, fragte Shila liebevoll, um die Lage wieder zu entspannen.
Ein heftiger Schmerz durchzuckte Tikias Brust, und in ihrem Kopf tauchten die alten Bilder ihrer Vergangenheit wieder auf. Hilflos bemerkte sie, wie sich erneut bittere Tränen in ihren Augen sammelten, das Atmen fiel ihr schwer, und alles um sie herum schien unwirklich zu sein. Irgendwo in der Ferne hörte sie undeutlich jemanden nach ihr rufen. »Tikia?« , rief die Stimme. In ihren Gedanken gefangen versank Tikia immer tiefer in ihrer schmerzenden Vergangenheit.
Besorgt wegen Tikias heftigem Gefühlsumschwung stand Shila unwillkürlich auf und hielt sie an den Schultern fest. Entsetzt blickte sie in Tikias Augen, die ihr auf einmal unglaublich leer und leblos vorkamen. »Sie steht unter Schock!« , stellte Shila besorgt fest. Aus einem Reflex heraus schloss sie Tikia fest in ihre Arme. Tikia rührte sich nicht, sondern starrte weiterhin mit gläsernen Augen geradeaus. »Was auch immer sie sieht, es muss furchtbar sein« , dachte Shila betroffen und wiegte Tikia in ihren Armen.
Erschrocken schrie Shila auf, als sie etwas Schwarzes aus der Ecke vorbeihuschen sah. Erleichtert seufzte sie dann. Es war Koon. »Du wirst alt, Mädchen!« , schalt sie sich selbst und beobachtete Koon neugierig, der sich auf seine mächtigen Hinterpfoten gestellt hatte und nun auf einer Höhe mit Tikia war. Leise winselnd leckte er Tikia übers Gesicht und stupste sie immer wieder zärtlich an.
»Koon …?«, wisperte Tikia schwach, ihre Augen verloren allmählich den gläsernen Ausdruck, und vorsichtig rührte sie sich in Shilas Armen, die sich weigerte, Tikia loszulassen. »Ichwar wieder weg, nicht wahr?«, murmelte sie leise und blickte verlegen zu Boden.
Shila betrachtete sie mitleidig, und in ihren Augen konnte Tikia deutlich erkennen, dass sie sich um sie sorgte.
»Das heißt wohl: ja …!«, schloss sie aus Shilas Schweigen. »Das passiert mir des Öfteren! Ich erinnere mich an Vergangenes, und auf einmal ist es, als wäre ich wieder dort. Dann kriege ich von dem, was in meinem Umfeld passiert, überhaupt nichts mehr mit, und nur mein Großvater hat es immer geschafft, mich in die Wirklichkeit zurückzuholen«, erklärte sie Shila leise.
»Eindeutig eine Folge des Schocks, den sie erlitten haben muss. Es gelingt ihr nicht, das Geschehene zu verarbeiten, deshalb versinkt sie darin.«
Nachdenklich sah Shila Tikia an, dann versuchte sie wieder, ihr unbekümmertes, bezauberndes Lächeln aufzusetzen, das ihr jedoch nur halbherzig gelang, und stieß Tikia spielerisch in die Seite.
»Lass uns morgen darüber reden. Solche Dinge brauchen Zeit, und es ist schon recht spät, ich liege wohl nicht ganz falsch mit der Annahme, dass du müde bist? Geh jetzt erst einmal duschen und schlaf eine Nacht lang durch, und morgen, wenn die Dinge schon ganz anders aussehen, können wir in aller Ruhe darüber sprechen, wenn du magst!«
Dankbar nickend blickte Tikia Shila an. Sie hatte eine lange Reise hinter sich gebracht und war müde und erschöpft von den ganzen Anstrengungen und dem wenigen Schlaf, den sie in den letzten Wochen bekommen hatte.
Zärtlich schmiegte Koon sich an ihre Seite.
Tikia bückte sich zu seinem rechten Ohr hinunter und hauchte ihm ein liebevolles » Dankeschön « entgegen.
Fröhlich wedelte Koon mit seinem zottigen Schwanz und leckte seiner treuen Gefährtin übermütig übers Gesicht.
Tikia blickte auf.
»Würde es dich arg stören, wenn ich Koon mit ins Bad nehme?«, fragte sie Shila lächelnd.
Unschlüssig schaute sie auf den großen verschmutzten Wolf und sah ihr geliebtes Badezimmer bereits aufs Schlimmste verdreckt vor
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