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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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oder besser bekannt als Leber im Speckmantel, eingelegt in Sojasauce, sogenanntes Muschelcasino und Würstchen im Schlafrock. Das Hauptgericht bestand meist aus etwas Witzigem und zugleich Billigem wie Würz-dein-eigenes-Chili-con-Carne oder Käsefondue. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie ich eines Abends in meinen rosafarbenen Morgenmantel und den flauschigen Hausschlappen ins Wohnzimmer schlich, wo ich es riskierte, mir die Hand zu verbrennen, während ich heimlich versuchte, ein Stück Brot in den brodelnd heißen Käse zu tunken. Als ich dann später wieder im Bett lag, konnte ich meine Eltern noch bis spät in die Nacht brüllend laut lachen hören. So nahm ich lange Zeit an, dass das Leben der Erwachsenen wahnsinnig viel Spaß machen musste.
    Irgendwann ereilte jedoch auch mich die Erkenntnis, dass dieser Erwachsenenspaß einen hohen Preis hatte. Ich lag erneut wach in meinem Bett und hörte meine Eltern bis spät in die Nacht brüllen, allerdings ohne dass sie diesmal gelacht hätten. Die Cocktails hatten keine schicken Namen mehr, und ich stibitzte auch keine aufregenden Appetithäppchen, sondern ernährte mich hauptsächlich von Tiefkühlkost, deren Beschreibungen auf den Packungen ich immer mit großer Vorfreude las: ›Zartes Hühnerfleisch im Teigmantel‹, ›saftige Maiskölbchen in zerlassener Butter‹, ›knusprige Pommes frites nach Idaho-Art‹. Nach kurzer Zeit kannte ich natürlich die Realität, die in diesen Fällen aus einem Stück nassem Fleisch, hartem Mais und schwitzigen
Kartoffeln bestand. Doch wenn ich mich zwischen Fantasie und Realität entscheiden musste, wählte ich stets die Fantasie.
    Inzwischen besaß mein Vater ein kleines Hotel in Key West, und meine Mutter hatte das Haus in Beast Castle verwandelt, eine gemeinnützige Auffangstation für ungewollte und ausgesetzte Tiere. Ich bewunderte ihren Mut für ein solches Unterfangen, aber es bedeutete auch, dass sich ein Heimkommen für mich nie sonderlich erholsam gestaltete.
    »Gott sei Dank bist du da«, begrüßte sie mich nun, nachdem sie die schwere Haustür geöffnet hatte. Sie trug wie üblich einen purpurfarbenen Kaftan, ganz so wie damals, als sie noch die elegante Hausherrin gegeben hatte. Ihre blondierten Haare hatte sie streng zurückgekämmt, so dass man die grauen Ansätze deutlich sehen konnte. Sie hatte einige Kilos abgenommen und sah durch den Gewichtsverlust erschöpfter aus als sonst - wenn auch noch immer schöner, als ich das jemals sein würde.
    »Was ist los, Mom?«
    »Ich befürchte, der Husky hat einen Zahn, der eingewachsen ist.«
    »Warum hast du nichts gesagt, als ich dich angerufen habe?« Da ich meine Mutter nur allzu gut kannte, brachte ich vorsichtshalber immer eine große Anzahl an Medikamenten mit. Aber ich hasste es, wenn man meine Umsicht als selbstverständlich betrachtete.
    »Da habe ich es noch nicht gewusst. Er hat erst angefangen, sich seltsam zu benehmen, als ich ihm einen Knochen gegeben habe.«
    Ich folgte meiner Mutter in die Eingangshalle. Ihr purpurfarbener Kaftan rauschte über den Boden. Wie meine
Mutter, so sah auch das Haus etwas heruntergekommen aus. Einerseits gab es eine große Sammlung antiker Stühle, Tische und Anrichten, andererseits jedoch waren die Sofas und Sessel allesamt ziemlich durchgesessen und wiesen überall Krallenspuren auf. Die mittelalterliche Ritterrüstung in der Eingangshalle schien an den Rändern zu rosten, und der gekachelte Zimmerspringbrunnen unter der Glaskuppel roch unangenehm nach Katzenurin.
    »Wie läuft es denn so, Mom? Außer dem Husky, meine ich«, wollte ich wissen.
    »Ach, ich drehe allmählich durch. Zwei der Mädchen sind heute nicht zur Arbeit erschienen, und ich erwarte jeden Moment einen neuen Katzenwurf. Da ist ja Snowboy. Der arme Kerl hat den ganzen Tag im Schrank verbracht.«
    Sie zeigte auf den Husky, der den Kopf zwischen seine Vorderpfoten gelegt hatte und mich mit wasserblauen Augen undurchdringlich anblickte. Wie die meisten wolfsähnlichen Hunde besaß auch er größere Ausdrucksmöglichkeiten als die kleineren Rassen. Er wusste allerdings auch, wie er ein Pokergesicht aufsetzen musste, wenn er Schmerzen hatte und Fremde anwesend waren.
    Ich streckte ihm meine Hand entgegen, damit er daran schnüffeln konnte, ehe ich in meiner großen Ledertasche nach einem Stethoskop suchte. Hunter hatte mir, kurz bevor wir aus New York weggezogen waren, die Tasche zu meinem Geburtstag geschenkt. Und obwohl Red immer wieder anbot, mir

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