Wolfslied Roman
da suggerierte, war etwas ganz anderes. Ihr zufolge konnte ich nicht schwanger werden, weil ich kein echtes Durchsetzungsvermögen besaß beziehungsweise nicht Alpha genug war. In der Natur passen die untergeordneten Weibchen ihren Zyklus an den der Alphatiere an. Auch wenn sie selbst nicht trächtig werden, durchlaufen sie doch gemeinsam mit der Leitwölfin alle
Symptome einer Schwangerschaft. Wenn die Leitwölfin geworfen hat, produzieren die anderen Muttermilch, um so ihre Welpen versorgen zu können, während die Mutter auf die Jagd geht.
Sollten untergeordnete Weibchen trächtig werden, passiert es fast nie, dass sie die Welpen austragen. Es ist anders als bei einer menschlichen Fehlgeburt, denn bei den Wölfen fließt weder Blut noch gibt es ein anderes äußeres Anzeichen dafür, dass die Schwangerschaft zu einem Ende gekommen ist. Die Wissenschaftler verstanden bisher noch nicht, was im Körper der Wölfe genau vor sich geht, aber vieles spricht dafür, dass sie die Schwangerschaft ohne Nebenwirkungen einfach wieder resorbieren.
In meiner Miene musste sich einiges von dem, was ich in diesem Augenblick fühlte, widergespiegelt haben, denn Magda sah mich schadenfroh an. »O nein, jetzt habe ich dich verunsichert.« Sie beugte sich über die Fleischtheke und drückte mit einem Finger gegen eine abgepackte Leber, so dass das Blut an dieser Stelle unter der Plastikverpackung zurückwich. »Aber mit jemandem wie Red möchtest du wohl sowieso keine Familie gründen.« Sie legte die Leber in ihren Einkaufswagen und sah mich an. »In Rumänien gibt es zwei Arten von Unwölfen - die vârcolac und die pricolici . Red behauptet allerdings, ein Gestaltwandler zu sein, nicht wahr? Wie heißt das nochmal? Ach ja, Limmikin. Er hat mir davon erzählt, als ich bei ihm gewohnt habe.«
Offensichtlich versuchte sie, weiteres Salz in meine Wunden zu streuen. Ich konnte immer noch nicht ganz nachvollziehen, warum Red Magda damals gestattet hatte, bei ihm in seiner Blockhütte unterzukommen, als sie nach Northside kam. Natürlich hatte er seine Gründe gehabt.
Hunter war noch nicht lange infiziert gewesen, und Red hatte befürchtet, dass sich mein Mann so wenig unter Kontrolle hätte, dass er mich zerfetzen könnte. Magda sollte ihn als seine Mentorin im Auge behalten und ihm durch die dumpfe Gewalt seiner ersten Verwandlungen helfen. Doch zu dieser Lehrtätigkeit gehörte auch ein hirnloses Vögeln, durch das er sich ursprünglich überhaupt mit dem Virus angesteckt hatte.
Deshalb war ich Red nicht sonderlich dankbar, dass er Magda bei sich untergebracht hatte. Ich war aber auch nicht wirklich wütend auf ihn - zumindest solange ich nicht darüber nachdachte.
»Ich weiß, was Limmikin sind«, entgegnete ich scharf. »Das ist der Mohawk-Name für Gestaltwandler.«
»Der Name ist nicht freundlich gemeint. Wie ich sehe, war dir das bisher unbekannt. Die Limmikin sind … Wie soll ich das erklären? Also, sie sind wie die Zigeuner in der normalen Welt. Diebe. Wahrsager. Betrüger.«
Ich ballte meine Fäuste. »Du hast wohl den Teil mit der Flamenco-Kultur und der jahrhundertelangen Verfolgung der Sinti und Roma vergessen! Und ehe du weitersprichst - mein Vater ist ein Roma aus Barcelona.«
»Wie charmant. Also noch etwas, das dich mit Red verbindet.« Magda trat einen Schritt näher, um zu demonstrieren, wie viel größer sie war als ich. »Du solltest trotzdem wissen, dass es verschiedene Arten von Gestaltwandlern gibt. Der Virus, den du in dir trägst und der von mir stammt, ist der eines pricolici . Dann gibt es also noch die vârcolac.« Sie tat so, als würde sie sich über die linke Schulter spucken. »Widerwärtige Pfuscher in den Schwarzen Künsten. Aber zumindest haben beide - die vârcolac und die pricolici - eine
heilige Verbindung zum Mond. Dein Red hingegen ist kein Lykanthrop. Er gehört einer niedrigeren Ordnung an, weshalb ich euch auch gestatte, auf unserem Territorium zu bleiben.«
Manchmal fragte ich mich, ob Magda ihr Englisch aus den alten Filmen meiner Mutter gelernt hatte, denn das, was sie von sich gab, klang teilweise wie aus einem besonders schlechten Horrorfilm. »Unglaublich, was dich so beschäftigt.« Ich merkte, dass uns inzwischen mehrere Kunden anstarrten. Doch in mir brodelte der Zorn. Er schien sich wie ein Sturm zusammenzuballen und stellte mir die Haare auf, als ob ich unter Strom stünde.
Magdas dunkle, mandelförmige Augen sahen mich scharf an. »Was machst du?«
Ich trat einen Schritt
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