Wolfsmagie (German Edition)
habe. Soll ich das Geld für Sie in Pfund wechseln lassen?« Effy, die noch immer auf die Banknoten in ihrer Hand starrte, schüttelte den Kopf. »Die ham Ihnen Bargeld geschickt?« Zweifel klang in ihrer Frage mit.
»Äh, nein. Das hatte ich bei mir.«
»Sie wurden am Zoll nich kontrolliert?« Effy musterte Kris nun mit einem Ausdruck, als hielte sie sie für eine kolumbianische Drogenbaronin.
»So viel ist es ja nicht.« Kris lachte, und es musste überzeugend rübergekommen sein, da die Frau sich sichtlich entspannte, die Scheine zusammenfaltete, den Ausschnitt ihres Kleides nach vorn zog und sie in ihrem Büstenhalter verstaute.
Kris kam nicht umhin, den Rand einer Tätowierung an ihrem Busen zu erspähen. Effy schien eigentlich gar nicht der Typ für so etwas zu sein.
Als die Frau sah, woran Kris’ Blick haftete, ließ sie den Ausschnitt zurückschnellen und eilte zur Tür. »Verspechen Sie mir, dass Sie hier draußen gut auf sich achtgeben?«
»Ich lebe seit vielen Jahren in Chicago«, erwiderte Kris. »Ich bin mir der Gefahren, die in der Nacht lauern, mehr als bewusst.« In gewissen Vierteln der Windigen Stadt lauerten sie auch am Tag.
»Ich glaub nich, dass die Gefahren dort so sind wie die Gefahren hier.«
Mit schräg gelegtem Kopf schaute Kris in Effys smaragdgrüne Augen. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass die Frau ihr etwas mitzuteilen versuchte. Warum spuckte sie es dann nicht einfach aus?
Noch ehe Kris sie dazu auffordern konnte, war Effy aus der Tür geschlüpft, dann machte sie sich mit beeindruckender Flinkheit, gemessen an ihrem Alter und ihrer Statur, auf den Rückweg nach Drumnadrochit.
Kris ging nach drinnen und schickte Lola eine kurze Nachricht, in der sie sich erkundigte, ob jemand für sie angerufen oder nach ihr gesucht hatte. Sie bezweifelte es, aber da Lola die einzige Person war, der Kris ihr Reiseziel verraten hatte, konnte sie sich einfach keinen Reim darauf machen, wieso sich jemand namentlich in Drumnadrochit nach ihr umhörte. Die Sache behagte ihr ganz und gar nicht.
Sobald das erledigt war, begann sie, sich Notizen zu ihrer Sendung zu machen – wo sie filmen und was sie sagen wollte. Aber ihre Gedanken drifteten zu Edward, und als sie sie wieder fokussierte, stellte sie fest, dass sie die Tätowierung an Effys Brust skizziert hatte.
Nur ein Halbkreis. Er konnte alles Mögliche darstellen. Dass ihre Vermieterin ein Tattoo hatte, war viel interessanter als seine Bedeutung. Andererseits …
Gut möglich, dass Effy sich in den Sechzigern während der Hippiezeit hatte tätowieren lassen. Hatte es in Schottland in den Sechzigern eine Hippiezeit gegeben?
Kris konnte sich nicht vorstellen, dass die Schotten gegen den Vietnamkrieg protestiert hatten, aber was wusste sie schon? Und die Beatles, die nur sechshundertfünfzig Kilometer von hier entfernt ihre Wurzeln hatten, entstammten eindeutig der Hippiezeit. Hatte man nicht ihnen die Schuld an der Lange-Haare-Manie gegeben, die auf die Vereinigten Staaten übergeschwappt war? Kris glaubte nicht, dass die Beatles tätowiert waren, trotzdem musste das nicht zwangsläufig auch für die Leute gelten, die wirklich der Gegenkultur angehört hatten. Könnte Effy ein ehemaliges Blumenkind sein? Es waren schon seltsamere Dinge passiert.
Kris warf einen Blick auf ihren Computer und stellte erfreut fest, dass das Internet weiterhin kooperierte. Sie googelte Tätowierungen in den Sechzigern . Wie erwartet, waren Tattoos anfangs hauptsächlich unter Soldaten oder Gefängnisinsassen verbreitet gewesen. Doch später in dieser Dekade waren sie auch bei der jüngeren Bevölkerung zunehmend beliebter geworden. Wie könnte man sein Rebellentum besser unter Beweis stellen, als sich unauslöschlich mit Tinte etwas Rebellisches in den Körper zu ritzen?
Kris überlegte, wie viele erschlaffte Peace-Zeichen wohl alternde Haut zieren mochten. Stirnrunzelnd musterte sie die Zeichnung, die sie von Effys Tattoo angefertigt hatte. Könnte es ein Peace-Zeichen sein?
Verflixt, es konnte alles sein.
8
Dougal erschien pünktlich, um Kris abzuholen. Der Kontrast zwischen seiner Abendgarderobe – dunkelgraue Hosen in Kombination mit einem weichen grauen Kaschmirpullover sowie glänzende schwarze Schuhe – und seinem gewohnten Kilt war derart krass, dass Kris ihn in einer Menschenmenge womöglich nicht erkannt hätte.
Zwei komplett verschiedene Männer in einem augenfreundlichen Paket , sinnierte sie. Nicht übel .
Kris hatte ihre komplette
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