Wolfsmagie (German Edition)

Garderobe durchwühlt, um etwas anderes als Jeans und Sweatshirt aufzustöbern. Zum Glück hatte sie in letzter Minute noch einen schwarzen Rock und ein eng anliegendes rotes Oberteil in ihren Koffer gepackt. Zusammen mit ihren am wenigsten klobigen Schuhen würde es schon gehen. Auch wenn Dougal fraglos besser abschnitt als sie.
    »Ich weiß, dass es noch früh ist«, sagte er, »aber ich dachte mir, wir könnten nach dem Essen zum Loch Ness spazieren und nach Nessie Ausschau halten, während die Sonne untergeht. Es ist jedes Mal einen Lacher wert, wenn sie sich nicht blicken lässt.«
    Es sei denn, jemand inszenierte einen Seeungeheuer-Streich, und Dougal zufolge wurden derlei Streiche in der Nähe des Clansman häufig verübt. Bei dem derzeitigen Aufruhr in und um Drumnadrochit würden sich die Scharlatane weiter nördlich vermutlich sicherer fühlen. Kris würde sie auf frischer Tat ertappen, der Rest wäre dann Geschichte.
    Eine Geschichte, über die sie als Erste zu berichten beabsichtigte.
    »Klingt gut.« Kris schnappte sich ihren Rucksack mit der Videokamera, dann folgte sie Dougal zu seinem Wagen; es war irgendein deutsches Fabrikat – sie kannte sich mit Marken und Modellen nicht gut aus. Er hielt ihr die Tür auf. Was ein Glück war, denn andernfalls hätte sie die falsche Autoseite angesteuert.
    Ihr Weg zum Clansman führte sie auf der Route zurück, die Kris von Inverness entlang des Ufers des Loch Ness gefahren war. Das teebraune Wasser spielte Haschmich mit ihnen – mal war es da, dann wieder weg, dann wieder da. Ringsum rangen blaugraue Berge und dichte Gruppen von Nadelbäumen um die Vorherrschaft.
    Sie machten Smalltalk. »Was für ein schöner Tag.« – »Herrliches Wetter.« – »Mögen Sie Lachs?«
    Kris entspannte sich, zutiefst erleichtert darüber, eine Weile nicht denken zu müssen. Dougal war eine angenehme Gesellschaft. Er stellte nicht zu viele Fragen, zu denen sie Antworten hätte erfinden müssen.
    Von außen war das Clansman wenig beeindruckend. Hätte Kris am Steuer gesessen, wäre sie schnurstracks daran vorbeigefahren. Sie kamen um eine Kurve – und schwupps , da war es, eingezwängt zwischen einem neben der Straße gelegenen Parkplatz und einem kleinen Hafen.
    Das aus verwittertem braunen Holz und sandfarbenen Ziegeln erbaute Gebäude war kleiner als die meisten Landgasthäuser in Amerika. Dahinter stemmten sich hohe grüne Bäume aus einem breiten Hügel, der in den langsam dunkler werdenden Himmel hineinzufließen schien.
    Das Interieur war dagegen mehr als ansprechend. Die Lobby bestach durch cremefarbene Wände mit Holzakzenten. Das Muster des Teppichs war vielleicht ein wenig unruhig, aber Kris hatte das schon in vielen Geschäftsbetrieben erlebt. Sie nahm an, dass ein unruhiges Teppichmuster den Schmutz besser verbarg.
    Das Restaurant entpuppte sich als noch zauberhafter, mit seinen den Loch Ness überblickenden Fenstern, der polierten Holztheke, den vielen Flaschen, die in der Sonne funkelten, und den zahlreichen, mit bequemen Polsterstühlen bestückten Tischen.
    Ihrer stand direkt neben dem Fenster, und Kris betrachtete verzaubert das Gewässer. Von hier sah es beinahe blau aus.
    Der Kellner kam zu ihnen, bevor sie ihren Eindruck in Worte fassen konnte. »Hätten Sie gern etwas von der Bar?«
    Dougal lupfte eine Braue. »Whisky?«
    »Ich denke nicht.« Kris lächelte den Kellner an. »Lieber Wein. Einen weißen, trockenen. Welchen, das überlasse ich Ihnen.«
    Er nickte, dann wandte er sich Dougal zu, der, wie vorherzusehen, den besten Single Malt Whisky bestellte.
    »Warum sieht der Loch blau aus?«, fragte Kris. »Ich weiß, dass das Wasser aufgrund des Torfgehalts braun ist.«
    Dougal blickte in die Richtung. »An manchen Stellen spiegelt sich der Himmel darin; dann scheint es, als ob …« Er spreizte die Hände und machte eine ausgreifende Armbewegung.
    Der Kellner kam mit ihren Getränken und stellte ein Glas herrlichen goldenen Weins vor Kris. »Es ist ein Autumn Oak«, erklärte er. »Ein schottischer Wein.«
    Kris griff nach ihrem Glas, schnupperte daran, dann nippte sie und nickte lächelnd. »Perfekt.«
    »Aus der Cairn O’Mohr Winery«, ergänzte er. »In Pertshire, nahe Errol, dem Herzen unseres besten Obstanbaugebiets im ganzen Carse of Gowrie.«
    »Klingt gut.« Kris hob das Glas an die Lippen.
    Der Mann ließ sie allein, nachdem er ihre Vorspeisenbestellung aufgenommen hatte: Ente mit Himbeersauce für Kris, Meeresfrüchtesalat für Dougal.
    Der Wein