Wolfsmagie (German Edition)
bedenkt, wäre es nicht ausgeschlossen, dass einige von ihnen Gefallen an den Tötungen fanden, dass sie das Blutvergießen genossen.«
»Es existieren tatsächlich Wächterkulte, die entsetzliche Kreaturen beschützen. In der Vergangenheit musste ich mir oft meinen Weg zwischen Menschen hindurch freikämpfen, um zu den Monstern zu gelangen.« Anstelle eines Achselzuckens ruckte er kurz mit einer Schulter. »Ob das Wesen nun böse oder geläutert war, es gab immer einige, die den Tod ihrer Gottheit nicht wollten; sie wollten nicht, dass sie verschwand, darum begannen sie, sie vor jeder Bedrohung zu schützen.«
Kris ließ den Blick vom Computermonitor zum Fenster schweifen, hinter dem nun endlich die Sonne herausgekommen war und die letzten Spuren des Nebels vertrieb. War genau das hier geschehen?
»Viele dieser Wächterkulte bedienen sich irgendeiner Art von Code – wie zum Beispiel einer Tätowierung –, damit sie wissen, wer zu ihnen gehört, wem sie vertrauen können.«
»Denken Sie, es gibt einen Wächterkult um Nessie?«
»Ja«, bestätigte Edward schlicht.
»Ich werde mit ihnen reden.«
»Solange Sie nicht das Zeichen tragen, wird ihnen niemand etwas sagen. Und denken Sie daran: Vielleicht beschützen sie das Ungeheuer gar nicht; vielleicht sind sie selbst das Ungeheuer. Der richtigen Person die falsche Frage zu stellen, wäre ein schneller Weg, auf dem Grund von Loch Ness zu landen.«
Kris war schon einmal fast auf dem Grund des Loch Ness gelandet. Ihr stand überhaupt nicht der Sinn nach einer Wiederholung.
Abgesehen davon gab es noch jemanden, mit dem sie sprechen konnte. Sobald Liam seine Wache am Loch Ness beendet hätte …
Oh, verdammt.
»Was ist los?«, fragte Edward. »Sie sehen aus, als hätten Sie einen …«
»Ich muss gehen«, verkündete Kris und klappte den Laptop zu, ohne sein »Kristin! Kommen Sie auf der Stelle zurück!« zu beachten. Sie überlegte, wo sie Liam suchen sollte. Sie würde Edward nichts mehr erzählen, solange sie nicht sicher wusste, was es zu erzählen gab.
Zuerst machte sie sich nach Urquhart Castle auf, wo sich ihren Recherchen zufolge das Ungeheuer gern sehen ließ. Allerdings hatte Kris das Pech – beziehungsweise die Tourismusbranche das Glück –, dass es dort vor Besuchern nur so wimmelte. Jedoch keine Spur von Liam.
»Das ist vollkommen verrückt«, murmelte sie. Und das war es in mehr als nur einer Hinsicht.
Dass sie auch nur in Erwägung zog, der Mann, mit dem sie geschlafen, zu dem sie Zuneigung gefasst, dem zu vertrauen sie begonnen hatte, könnte in Wahrheit ein gestaltwandlerisches Seeungeheuer sein oder zumindest der Wächter eines solchen Monsters, brachte ihr Gehirn, das verzweifelt nach einer anderen Erklärung suchte, derart zum Rotieren, dass ihr schwindlig wurde.
Die logischere Alternative wäre, dass Liam tatsächlich ein Wächter war, genau wie er gesagt hatte. Zwar behauptete er, den Loch Ness zu bewachen, aber war das nicht Haarspalterei?
Sie konnte nicht fassen, dass ausgerechnet sie, Kristin Daniels – Wahrheitssuchende und Lügenhasserin –, Rechtfertigungen für einen Lügner fand. Sie sollte ihn einfach abhaken, ihn niemals wiedersehen.
»Er hat mir mitten ins Gesicht gelogen«, murmelte sie. Nur dass es nicht nach einer Lüge gerochen hatte und Kris mittlerweile ein feines Näschen für Lügen besaß.
»Er ist so sexy, dass sich dein Radar abgeschaltet hat.« Allerdings war ihr so etwas noch nie passiert. Immerhin arbeitete sie beim Fernsehen. Dort gab es sexy Typen zuhauf. Wie sie bereits in ihrer ersten Woche auf Sendung hatte feststellen müssen, war »sexy« mehr ein Synonym für »dreister Lügner« als für sonst etwas.
Schöne Menschen schienen überzeugt zu sein, sich über die Grundsätze korrekten Benehmens hinwegsetzen zu können. Vermutlich weil man ihnen schon in frühester Kindheit wegen ihrer Niedlichkeit zu viel hatte durchgehen lassen.
Kris wusste, dass sie als attraktiv galt. Trotzdem hatte man ihr die Wahrheit schon als Teenager unmissverständlich klargemacht: Sie war nicht hübsch genug, süß genug, klug genug – nichts war sie genug –, um ihren Bruder und ihren Vater davon abzuhalten, sie zu verlassen. Also hatte sie sich in ihre Arbeit gestürzt und nach einem Erfolg gestrebt, der sein Echo über das ganze Land, wenn nicht die ganze Welt, werfen und jene, die sich von ihr abgewandt hatten, zwingen sollte, von ihr Notiz zu nehmen.
Hatten sie? Sie glaubte nicht.
Nachdem sich das Aufspüren
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