Wolfsmagie (German Edition)
sehen.«
»Dann hätte er dir sagen sollen, wo er sich einquartiert hat, weil ich es nämlich nicht tun werde.«
In seinem Tonfall klang so viel Ätsch-Bätsch mit, dass Kris nur darauf wartete, dass Dougal ihr als Krönung die Zunge herausstreckte. Zum Glück beherrschte er sich.
Sie versuchte, dem Gespräch wieder den Anschein zivilisierten Verhaltens zu geben. »Hattest du eine gute Reise?«, erkundigte sie sich.
»Reise?«
»Du warst doch … irgendwo mit B «, sagte sie. »Deine Einkaufstour?«
»Ach so. Ja. War toll.« Er wandte sich ab. »Wenn das alles ist, was ich …«
»Gibt es hier im Ort ein Tattoo-Studio?«
Sein Blick flog zu ihr. »Du willst dich tätowieren lassen?«
»Eventuell. Bist du tätowiert?«
»Ich bin kein Biker. Auch kein Soldat. Oder …« Dougal grinste verschlagen. »… Spieler in einer NBA -Basketballliga.«
Der Mann wurde ihr mit jedem verstreichenden Moment unsympathischer. Fast wünschte sie sich, Liam hätte ihm die Nase gebrochen, anstatt es bei einem Kinnhaken zu belassen.
Kris inspizierte seinen Unterkiefer. »Wieso hast du eigentlich keine Prellung?«
Als Dougal merkte, wohin sie starrte, rieb er sich über das Gesicht. »Ich bekomme nicht leicht eine Prellung. Außerdem hat er mich kaum getroffen.«
Kris war da zwar anderer Meinung, doch änderte das nichts daran, dass Dougal nicht mal einen blauen Fleck hatte. Was einfach nicht fair war.
»Viele Leute haben heutzutage ein Tattoo«, fuhr Kris fort. »Und auch hier in der Gegend gibt es jede Menge.«
»Ist mir nicht aufgefallen.«
Es fiel ihr schwer, das zu glauben, aber sie würde das Thema nicht forcieren. Sollte Dougal eine Tätowierung haben, würde er sie ihr so oder so nicht zeigen.
»Vielen Dank auch.« Kris steuerte zur Tür. Sie konnte es nicht ändern, falls ihre Worte eher sarkastisch als dankbar geklungen hatten. Immerhin hatte der Mann sich eher kindisch als hilfsbereit benommen.
»Warum er?« Etwas in Dougals Stimme veranlasste Kris, sich zu ihm umzudrehen, obwohl sie es nicht wollte.
»Wieso hasst du ihn so sehr?«
»Ich habe meine Gründe.« Der angewiderte Ausdruck in Dougals Gesicht wich einem der Verschlagenheit. »Vielleicht solltest du dich besser fragen, warum du ihn so sehr magst .«
»Wieso sollte ich das tun?«
Er zuckte mit einer Schulter. »Du bist erst seit einer Woche hier. Gehörst du wirklich zu der Sorte Frau, die so schnell mit einem Mann im Bett landet?«
Beinahe hätte Kris zurückgeschossen: Welche Sorte meinst du genau? Doch sie entschied, kein weiteres Wort mehr von einem Mann hören zu wollen, dessen Einstellung zu Frauen und Sex dermaßen antiquiert war. Sie durfte sich glücklich schätzen, dass Dougal auf sie nicht die gleiche unwiderstehliche Anziehungskraft ausgeübt hatte wie Liam bei ihrer ersten Begegnung auf der Burg.
Als sie ihm einen Zungenkuss gegeben hatte, ohne auch nur seinen Namen zu kennen.
»Herrje«, sagte sie. Das entsprach ihr so gar nicht.
»Ja«, pflichtete Dougal ihr bei, obwohl er nicht wissen konnte, was sie gerade dachte.
Kris verließ das Motel. Sie würde sich keinen weiteren Stuss mehr von Dougal anhören. Trotzdem hatte er sie zum Nachdenken gebracht, was das Besondere an Liam war, warum sie sich auf einmal völlig entgegen ihrem gewohnten Verhaltensmuster benahm.
Lag es an seiner Schönheit? An seinem Dialekt? An seiner Männlichkeit und dem Mysterium, das ihn umgab? Kris war nicht der Typ, der auf so etwas reinfiel.
Warum hatte sie es dann getan? Sie konnte es sich ebenso wenig erklären, wie sie es Dougal hatte erklären können.
Nach einem kurzen Abstecher zur Drumnadrochit-Version von Walgreens, wo sie, um ihren Bluterguss zu kaschieren, Make-up und Puder – sie hatte nur das Nötigste an Schminkzeug nach Schottland mitgebracht – sowie ein belegtes Brötchen und Chips kaufte, machte Kris sich auf den Rückweg zum Cottage.
Kris stieg gerade einen Hügel hinter Drumnadrochit hinauf, als ein Spritzen im Loch Ness ihre Aufmerksamkeit erregte. In der Erwartung, wie immer jede Menge Nichts zu sehen, warf Kris einen flüchtigen Blick zum Wasser. Doch dieses Mal sah sie etwas – etwas, das sie stolpern und beinahe hinstürzen ließ, bevor sie sich fing und wie vom Donner gerührt auf den See starrte.
Dieses Mal starrte etwas zurück.
Der Kopf, der aus der Wasseroberfläche ragte, hätte der eines Aals, einer Schlange oder eines Otters sein können. Nur dass der riesige, buckelige Körper, der Haschmich mit den Wellen
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