Wolfsmagie (German Edition)
von Liam am Loch Ness als die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen entpuppte, beschloss Kris, im Dorf nachzufragen, wo er sein könnte. Und wenn sie schon mal dort war, würde sie auch gleich noch überprüfen, ob ihr Bruder in einem der Hotels eingecheckt hatte.
Als Kris Drumnadrochit erreichte, wurde sie wie immer von dem himmlischen Duft empfangen, der aus dem Jamaica Blue drang. Sie war nicht nur unfähig, der Verlockung von Kaffee zu widerstehen, immerhin hatte sie noch keinen gehabt, auch könnte sie die Gelegenheit nutzen, um Jamaica nach ihrer Tätowierung auszuhorchen. Falls ihr das gelang, ohne durchblicken zu lassen, worauf ihre Fragen in Wahrheit abzielten.
Sind Sie eine Wächterin oder eine Menschen opfernde Hexe? Vielleicht war sie beides .
Halt mal … Kris hielt mit der Hand an der Tür des Cafés inne. Müsste Liam nicht auch ein Tattoo haben?
Sie hatte keins bemerkt. Allerdings hatte sie auch nicht überall nachgesehen. Sie hatte ihn geküsst, ihn berührt, war dabei jedoch nicht auf etwas Spezifisches aus gewesen.
Außer auf die eine, ganz spezifische Sache, die sie zum fraglichen Zeitpunkt so dringend gebraucht hatte. Aber dabei hatte sie kein Tattoo entdeckt.
Kris zog die Tür zum Jamaica Blue auf.
Tja, es half alles nichts. Sie würde jeden Zentimeter von Liams Körper absuchen müssen.
Was war sie arm dran.
Ein junger Mann – vielleicht sechzehn, mit rotbraunem Haar und sehr schlechten Zähnen – stand heute hinter der Theke. Kris bestellte eine Tasse Blue Mountain und verrenkte sich den Hals, um an ihm vorbeizuspähen. »Wo ist Jamaica?«
»Auf Einkaufstour.« Der Junge reichte ihr die Tasse.
»Um Kaffee zu besorgen?«
Er nickte. »Sie kümmert sich gern selbst darum.«
»Wann wird sie zurück sein?«
»In ein paar Tagen.« Der Junge studierte Kris’ blau geschlagenes Gesicht. »Sind Sie gegen eine Tür gerannt oder so was in der Art?«
»So was in der Art«, bestätigte Kris, bevor sie zahlte und das Café verließ, übermannt von einem eigenartigen Déjà-vu-Gefühl. Doch erst, als ihr das Schild des Mythos Motels ins Auge stach, kam die Erinnerung zurück.
Auch Dougal hatte sich überraschend auf Einkaufstour begeben.
Kris spähte zum Loch Ness, dann wandte sie sich dem Motel zu. Hatte auch Dougal eine Tätowierung? War es denkbar, dass diese »Einkaufstouren« mit einem Wächterdienst am – wahlweise im – Loch Ness zusammenfielen? Wie könnte sie das überprüfen?
Nun, sie hätte es als Journalistin nicht so weit gebracht – so weit war das zwar gar nicht, trotzdem beherrschte sie ihr Handwerk ganz gut –, wenn sie nicht wüsste, wie man die richtigen Fragen stellte.
Sie trat ein. Dougal stand hinter der Empfangstheke. Sein Blick huschte zu dem Bluterguss an ihrer Wange und schnell wieder weg. Doch er entschuldigte sich nicht. Kris wusste nicht, ob sie froh sein sollte, das Thema nicht von Neuem durchkauen zu müssen, oder verärgert, weil Dougal beschlossen hatte, es einfach abzuhaken. Sie entschied sich für Letzteres.
Sie war nicht mit ihm verheiratet. Er hatte nicht das Recht, sich derart aufzuführen, weil sie mit Liam geschlafen hatte. Tatsächlich gab es ihr zu denken, dass Dougal sich derart aufführte. Sein Verhalten erinnerte vage an das eines Stalkers.
»Was war gestern Abend los mit dir?«, fragte Kris.
Dougal sah sie nicht an, sondern hielt den Blick auf den Tresen gesenkt. »Ich dachte, da wäre etwas zwischen uns.«
»Ja, Freundschaft.«
Er presste die Lippen zusammen. »Solange du mit ihm intim bist, will ich nicht, dass du mit mir vertraulich bist.«
Kris’ Augen wurden schmal. Sie hatte nicht vor, mit Dougal »vertraulich« zu werden, darum sagte sie: »Das kommt mir sehr entgegen.«
Er schaute sie noch immer nicht an.
»Ich würde gern wissen, ob mein Bruder hier wohnt.«
Dougal hob den Blick, und Überraschung blitzte in seinen grauen – und wie Kris einmal gedacht hatte, intelligenten, anziehenden – Augen auf. Jetzt sahen sie einfach nur wie Augen aus. »Dein Bruder ist in Schottland?«
»Das war auch für mich eine Überraschung. Ist er hier? Er heißt Marty Daniels.«
»Ich darf die Namen meiner Gäste nicht herausgeben. Du könntest eine Stalkerin sein.«
Da redet der Topf über den Tiegel , dachte Kris, behielt es jedoch für sich.
»Er ist mein Bruder .«
»Vielleicht versteht ihr euch nicht. Vielleicht will er nicht, dass du erfährst, wo er wohnt.«
»Er ist nach Schottland gekommen, um mich zu
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