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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Sackgasse. Er entfernte sich von
dem Hochhaus, den Blick auf die Fenster über ihm gerichtet, und wollte dorthin zurück, wo die
Skateboard-Fahrer waren, als ein Schrei von der anderen Seite des Pedro Tower die Luft zerriss.
Er bewegte sich rasch auf die Quelle des Lärms zu und kam gerade rechtzeitig, um das Ende eines
heftigen Streits zu erleben. Die Frau eigentlich eher ein Mädchen von siebzehn oder achtzehn
Jahren - verpasste dem Mann in Jeansklamotten einen so heftigen Schlag mit der rechten Hand, dass
er sich einmal um die eigene Achse drehte. Dann stolzierte sie davon, während er sich bemühte,
ihr Beschimpfungen hinterher zu schreien, sich aber gleichzeitig eine Gesichtshälfte hielt und
mit der Zunge fühlte, ob noch alle Zähne in Ordnung waren.
Die beiden interessierten Rebus nicht sonderlich. Er schaute an ihnen vorbei auf ein flaches, nur
schwach beleuchtetes Gebäude, ein Fertighaus inmitten von Gras und Dreck. Ein verwittertes
Schild, das nur von einer einzigen Birne erhellt wurde, wies es als The Fighting Cock aus. Ein
Pub?
Hier? Das war bestimmt kein Ort für einen Polizisten, schon gar nicht ein Ort für einen
schottischen Polizisten. Wenn aber nun...? Nein, so einfach konnte es nicht sein. Sammy und Kenny
konnten nicht da drinnen sein, würden nicht da drinnen sein. Seine Tochter hatte was Besseres
verdient.
Verdiente nur das Allerbeste.
Aber schließlich hielt sie Kenny Watkiss für das Beste. Und vielleicht war er das ja auch. Rebus
blieb abrupt stehen. Was, zum Teufel, tat er da?
Okay, er mochte Kenny nicht. Und als er Kenny im Old Bailey hatte jubeln sehen, hatte er zwei und
zwei zusammengezählt und war zu dem Schluss gekommen, dass Kenny mit Tommy Watkiss unter einer
Decke steckte.
Doch jetzt hatte sich herausgestellt, dass die beiden irgendwie miteinander verwandt waren, und
das erklärte natürlich das Jubelgeschrei, oder etwa nicht?
Psychologiebücher behaupteten, dass Polizisten in jeder Situation das Schlimmste annahmen. Und
das stimmte. Es passte ihm nicht, dass Kenny Watkiss mit seiner Tochter ging. Selbst wenn Kenny
der Thronfolger persönlich gewesen wäre, wäre Rebus immer noch misstrauisch. Sie war seine
Tochter. Er hatte sie kaum gesehen, seit sie ins Teenageralter gekommen war, und für ihn war sie
immer noch ein Kind, etwas, das verwöhnt, geliebt und beschützt werden musste. Doch sie war jetzt
ein großes Mädchen, voller Ehrgeiz und Tatendrang, sah gut aus und hatte den Körper einer
erwachsenen Frau. Sie war erwachsen, da führte kein Weg dran vorbei, und das machte ihm Angst.
Angst, weil sie Sammy war, seine Sammy. Angst, weil er all die Jahre nicht da gewesen war, um sie
zu warnen, um ihr gute Ratschläge zu geben, ihr zu sagen, was sie tun soll.
Angst, weil er langsam alt wurde.
Da, jetzt war's heraus. Er wurde alt. Er hatte eine sechzehnjährige Tochter, und sie war alt
genug, um die Schule zu verlassen und sich einen Job zu suchen, um mit jemandem zu schlafen, um
zu heiraten. Noch nicht alt genug, um ins Pub zu gehen, aber das würde sie nicht daran
hindern.
Nicht alt genug für einen abgebrühten Achtzehnjährigen wie Kenny Watkiss. Aber trotzdem
erwachsen; ohne ihn erwachsen geworden, und er war nun alt.
Und er spürte es, weiß Gott.
Er steckte seine linke Hand tief in die Tasche - in der rechten hielt er immer noch die Tragetüte
- und wandte sich von dem Pub ab. In der Nähe der Stelle, wo ihn das Taxi abgesetzt hatte, war
eine Bushaltestelle. Er würde einfach dorthin fahren, wohin ihn der Bus brachte. Die
Skateboard-Fahrer kamen jetzt die Straße herunter auf ihn zu. Einer von ihnen schien besonders
geschickt. Er wedelte regelrecht über den Asphalt, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Als der
Junge näher kam, ließ er plötzlich das Brett nach oben schnellen, sodass es vor ihm durch die
Luft wirbelte. Dann packte er das Brett mit beiden Händen am hinteren Ende und schwang es in
weitem Bogen zurück. Rebus durchschaute das Manöver zu spät. Er versuchte noch, sich zu ducken,
doch das schwere Holzbrett traf ihn mit einem heftigen Knall seitlich am Kopf.
Er taumelte und ging in die Knie. Sofort fielen sie über ihn her, es waren sieben oder acht.
Hände wühlten in seinen Taschen.
»Scheiße, ich hab `nen Riss im Brett. Seht euch das an. Bestimmt zwanzig Zentimeter, so'ne
Scheiße.«
Ein Turnschuh traf Rebus am Kinn und warf ihn um. Er konzentrierte sich so sehr darauf, nicht
ohnmächtig zu werden, dass er vergaß,

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