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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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umbringen.«
»Nicht, wenn ich's vorher vernichte«, sagte Rebus und hob zwinkernd sein Glas an den Mund.
Der Taxifahrer weigerte sich, ihn bis zum Churchill Estate zu bringen.
»Ich setz Sie ein paar Straßen vorher ab und zeig Ihnen, wohin Sie müssen. Aber ich fahr auf
keinen Fall bis dahin.«
»Na schön«, sagte Rebus.
Also nahm er das Taxi, so weit das Taxi ihn fahren wollte, und ging das restliche Stück zu Fuß.
Es sah gar nicht so schlimm aus. In den Randgebieten von Edinburgh hatte er schon Schlimmeres
gesehen. Jede Menge trostloser Beton, überall Glasscherben auf dem Boden, mit Brettern
verrammelte Fenster und jede Wand mit den Namen von Gangs besprüht.
Jeez Posse schien die Hauptgang zu sein, doch andere Namen waren so fantasievoll verschnörkelt,
dass er sie nicht entziffern konnte. Einige Jungen fuhren Skateboard auf einem Parcours, der aus
Milchkästen, Brettern und Ziegelsteinen konstruiert war. Einen kreativen Geist konnte man nicht
unterdrücken. Rebus blieb kurz stehen, um zuzusehen, und hatte schon nach wenigen Augenblicken
erkannt, dass diese Jungs ihre Kunst meisterhaft beherrschten.
Rebus ging zum Eingang eines der vier Hochhäuser, aus denen die Siedlung bestand. Er versuchte
gerade, den Namen des Wohnblocks irgendwo zu entdecken, als neben ihm etwas auf den Gehweg
platschte. Er sah nach unten. Es war ein Sandwich, offenbar ein Salamisandwich. Er verrenkte den
Hals, um an dem Hochhaus hinaufzuschauen, und bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass etwas
Großes, Dunkles, das immer größer und dunkler wurde, auf ihn zugeschossen kam.
»Mein Gott!« Er rettete sich mit einem Sprung in die Eingangshalle des Hochhauses; im gleichen
Augenblick landete das Fernsehgerät mit einem explosionsartigen Knall und verwandelte sich in
einen Haufen aus Plastik, Metall und Glas. Die Jungen auf der Skateboard-Bahn johlten. Rebus trat
wieder nach draußen, diesmal jedoch vorsichtiger, und verrenkte erneut den Hals. Es war niemand
zu sehen. Er stieß einen leisen Pfiff aus. Er war beeindruckt, aber auch ein wenig erschrocken.
Trotz des Lärms schien niemand neugierig oder interessiert.
Er fragte sich, welche Fernsehshow diese Person irgendwo über ihm so geärgert haben mochte.
»Heutzutage ist jeder ein Kritiker«, sagte er. Und dann: »LMAA.«
Er hörte, wie eine Aufzugstür sich öffnete. Eine junge Frau mit fettigen, blond gefärbten Haaren,
einem goldenen Stecker in der Nase und drei in jedem Ohr sowie einem tätowierten Spinnennetz am
Hals kam heraus. Sie schob einen Kinderwagen auf den betonierten Gehweg. Sekunden früher, und sie
hätte unter dem Fernseher gelegen.
»Entschuldigen Sie«, sagte Rebus und versuchte, das Geschrei, das aus dem Kinderwagen kam, zu
übertönen.
»Yeah?«
»Ist das hier Pedro Tower?«
»Da drüben«, sagte sie und zeigte mit einem spitz gefeilten Fingernagel auf eines der anderen
Hochhäuser.
»Danke.«
Sie sah zu der Stelle, wo der Fernseher gelandet war. »Das sind die Kids«, sagte sie. »Sie
brechen in eine Wohnung ein und schmeißen ein Sandwich aus dem Fenster. Wenn dann ein Hund kommt
und es frisst, schmeißen sie `nen Fernseher hinterher. Das gibt `ne Riesenschweinerei.«
Sie klang beinahe amüsiert. Beinahe.
»Wie gut, dass ich keine Salami mag«, sagte Rebus.
Aber sie war bereits dabei, den Sportwagen an dem neuen Müllhaufen vorbeizubugsieren. »Wenn du
nicht endlich deine verdammte Klappe hältst, bring ich dich um!«, brüllte sie ihr Kind an. Rebus
ging auf wackeligen Beinen Richtung Pedro Tower.
Weshalb war er hier?
Bisher war es ihm ganz sinnvoll und logisch erschienen, doch nun, wo er in dem streng riechenden
Flur im Erdgeschoss des Pedro Tower stand, merkte er, dass er überhaupt keinen Grund hatte, hier
zu sein. Rhona hatte gesagt, Sammy wäre mit Kenny unterwegs. Es war äußerst unwahrscheinlich,
dass sie den Abend im Pedro Tower verbrachten.
Doch selbst wenn Kenny hier wäre, wie sollte Rebus die Wohnung finden? Die Leute hier würden
einen neugierigen Bullen auf fünfzig Schritte Entfernung riechen. Fragen würden nicht beantwortet
werden, Türen, an die man klopfte, blieben zu. Hatte er sich in eine Sackgasse manövriert?
Natürlich könnte er warten. Irgendwann würde Kenny ganz bestimmt kommen. Aber wo sollte er
warten? Hier drinnen? Zu auffällig und wenig verlockend. Draußen? Zu kalt und zu viele
Hobbykritiker über ihm im mittlerweile dunklen Himmel.
Was blieb ihm also noch übrig? Ja, er befand sich wohl in einer

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