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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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zurückzuschlagen, zu schreien oder sich zu verteidigen.
Dann eine laute Stimme: »He! Was, zum Teufel, macht ihr da?«
Und sie rannten los, trieben ihre Bretter an, bis sie genug Geschwindigkeit drauf hatten; die
harten Räder ratterten über den Asphalt, dann waren sie verschwunden. Wie Banditen in einem alten
Western, dachte Rebus. Wie Banditen.
»Alles in Ordnung, Kumpel? Komm, auf mit dir.«
Der Mann half Rebus auf die Füße. Als er wieder halbwegs klar sehen konnte, bemerkte Rebus, dass
der Mann Blut an der Lippe hatte. Auch sein Kinn war blutig. Der Mann registrierte seinen
Blick.
»Meine Tussi«, sagte er. Sein Atem roch stark nach Alkohol. »Hat mir eine geschossen. Und zwar
volle Kanne. Paar Zähne sind lose. Die waren allerdings eh faul, hat mir wahrscheinlich ein
Vermögen beim Zahnarzt erspart.« Er lachte. »Komm mit, nichts wie rein in den Cock. Paar Brandys,
und dann geht's dir wieder gut.«
»Die haben mein Geld geklaut«, sagte Rebus. Er drückte die Tragetasche an sich wie einen
Schutzschild.
»Macht nichts«, sagte sein Samariter.
Sie waren nett zu ihm. Sie setzten ihn an einen Tisch, und ab und an stand ein neuer Drink vor
ihm, und irgendwer sagte: »Der ist von Bill« oder »der ist von Tessa« oder »der ist von Jackie«
oder »der ist von...«
Sie waren nett zu ihm. Sie legten einen Fünfer zusammen, damit er mit dem Taxi zum Hotel
zurückfahren konnte. Er erklärte, er wäre Tourist, wollte sich die Stadt ein bisschen ansehen.
Irgendwie hätte er sich verirrt, sei aus einem Bus gestiegen und hier gelandet. Und sie,
gutmütige Seelen, die sie waren, glaubten ihm.
Sie machten sich nicht die Mühe, die Polizei anzurufen.
»Diese Schweine«, schimpften sie. »Reine Zeitverschwendung. Die würden eh erst morgen früh
aufkreuzen und dann nichts tun. Hinter der Hälfte der Verbrechen hier in der Gegend stecken
sowieso die Bullen, das kannst du mir glauben.«
Und er tat es. Er glaubte ihnen. Und ein weiterer Drink stand vor ihm, ein weiterer Brandy in
einem Sherryglas.
»Auf dein Wohl, ja?«
Und sie spielten Karten und Domino, eine fröhliche Meute, alles Stammgäste. Der Fernseher plärrte
- eine musikalische Quiz-Show -, die Musikbox trällerte, und der einarmige Bandit piepte und
summte und spuckte gelegentlich einen Gewinn aus. Er dankte Gott, dass Sammy und Kenny nicht hier
waren. Was hätte das für einen Eindruck auf sie gemacht!
Nicht auszudenken!
Irgendwann entschuldigte er sich und ging zur Toilette. An einer Wand hing ein gezacktes
dreieckiges Stück Spiegel. Seine eine Gesichtshälfte war vom Kiefer bis zum Ohr rot und würde
vermutlich grün und blau werden.
Die Kieferpartie würde ihm eine Zeit lang wehtun. Wo der Schuh ihn getroffen hatte, war bereits
ein rotblauer Striemen. Sonst nichts. Nichts Schlimmeres. Keine Messer oder Rasierklingen. Kein
geballter Angriff. Es war ein sauberer, professioneller Schlag gewesen. Wie der Junge das Brett
hatte hochschnellen lassen, es dann fing und damit ausholte. Professionell.
Ein absoluter Profi. Falls Rebus ihn jemals erwischte, würde er ihm zu einer der elegantesten
Bewegungen gratulieren, die er je gesehen hatte.
Und dann dem kleinen Dreckskerl die Zähne so tief in den Rachen schlagen, dass er damit in seine
eigenen Eingeweide beißen konnte.
Er griff vorn in seine Hose und zog seine Brieftasche heraus. Laines Warnung und das Bewusstsein,
sich auf unerforschtes Territorium zu begeben, hatten Rebus überzeugt, dass es ratsam sei, seine
Brieftasche zu verstecken. Nicht um sich vor Straßenräubern zu schützen, nein. Damit niemand
seinen Ausweis finden würde. Es war schon schlimm genug, als Fremder in dieser Gegend zu sein,
aber als Polizist... Also hatte er seine Brieftasche mit Ausweis und allem unter das elastische
Band seiner Unterhose geschoben. Dort steckte er sie nun wieder hin. Schließlich befand er sich
immer noch im Churchill Estate. Und es könnte eine lange Nacht werden.
Er zog die Tür auf und ging zu seinem Tisch zurück. Der Brandy machte sich bemerkbar. Er hatte
ein dumpfes Gefühl im Kopf, doch seine Glieder waren angenehm locker.
»Alles klar, Jock?«
Er hasste diesen Spitznamen, fand ihn absolut furchtbar; trotzdem lächelte er. »Mir geht's gut. O
ja. Mir geht's echt gut.«
»Na prima. Der da ist übrigens von Harry von der Bar.«

Nachdem sie den Brief abgeschickt hat, fühlt sie sich sehr viel besser.
Sie arbeitet ein bisschen, doch dann spürt sie wieder die innere Unruhe. Es ist

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